Oberhausen. David Gilmour bereichert sein „Rattle that Lock“-Konzert mit Pink Floyd-Hits. Zehntausend hören zunächst brav zu. Die stehenden Ovationen folgten.

Ringsum in der von 10.000 Fans ausverkauften Arena hörte man viel Niederländisch, Englisch (sogar mit amerikanischem Akzent), auch Spanisch. Die Europa-Tournee von David Gilmour bot wohl entschieden zu wenige Termine – in Deutschland nur diesen einen.

Zehntausend können überraschend leise sein. Bis zum ersten Jubelsturm mit Standing Ovations musste der Held des Abends eine volle Stunde warten – bis der letzte Glockenton von „High Hopes“ verklungen war. Man versenkt sich eben etwas stiller als bei in diese Musik, erst recht ins verehrte Pink Floyd-Material.

Soli geben flacheren Werken Tiefe

Dabei zeigten sich der Gitarrist und seine exzellente Band um den Roxy Music-Kollegen Phil Manzanera konsequent: „Rattle that Lock“ heißt die Tournee; und das erst tags zuvor veröffentlichte Album spielte man nahezu komplett. „Eingeschoben haben wir ein paar bekanntere Lieder“, sagte Gilmour mit britischem Understatement

Fit wirkt der längst weißhaarige und weißbärtige 69-Jährige, stimmlich in großer Form, seine Saiten-Künste untadelig wie eh. Übliche Rock-Schauwerte bietet Gilmour allerdings nicht: keine Posen, keine anfeuernden Ansprachen. Für die Optik sind nach wie vor die Designer von „Higpnosis“ zuständig mit Aubrey Powell als Creative Director. Er ließ „Rattle that Lock“ mit Bildern nach Gustave Dorés / John Miltons „Paradise lost“ animieren: Ein Wirbel aus Höllensturz-Zeichnungen zu einem Song, der keineswegs wirbelte, den ein eher entspannter Funk davontrug.

Hochkarätig und feingeschliffen

Geradezu perfektionistisch rekreierte Gilmours Tour-Band den Sound seiner Alben. Für Improvisationen ist hier kein Platz.

Grandseigneur der Band ist Phil Manzanera, Co-Produzent des aktuellen Albums. Großartig wandlungsfähig die Rhythmusgruppe mit Bassist Guy Pratt und Schlagzeuger Steve Di Stanislao. Saxophonist Theo Travis kultiviert einen geschmeidigen, aber satten Sound. Und die Background-Sänger Bryan Chambers und Louise Clare Marschall geben Gilmours’ angerauter Stimme Soul-Futter. Multi-Instrumentalist Jon Carin spielt sogar in den Bands von Gilmour UND Roger Waters.

Für ein paar Songs des neuen Albums zupfte Guy Pratt, seit den späten Pink Floyd eine Konstante der Gilmour-Bands, sogar einen Kontrabass: Man begab sich mit Liedern wie „Faces of Stone“ tiefenentspannt aufs Caféhaus-Terrain eines Sting oder Chris Rea. „In any Tongue“ aus dem neuen Album verlangte und erhielt allerdings druckvolleren Vortrag: Den Antikriegssong illustrierte ein animierter Film vom Straßenkampf westlicher Soldaten in einem Wüstendorf. Und ein Junge mit seinem Schaf gerät ins Kreuzfeuer.

Naiv, unbedarft? Stärker als die Texte seiner Frau Polly Samson wirken allemal Gilmours Soli: Mit elegischem, aber vollem Ton, ohne Eile genießerisch ausgespielt, geben sie selbst den flacheren Werken eine Anmutung von Tiefe. Das zur Pause bejubelte „High Hopes“ war mit seinem schneidenden Stahlsaiten-Slide und den strahlenden Filmbildern auch eine Hommage an den vor zwei Jahren verstorbenen Storm Thorgerson, dessen „Hipgnosis“-Surrealismus für die Psychedelia-Marke Pink Floyd wohl kaum zu überschätzen ist.

Der „Diamond“ glänzte in Kurzfassung

Vergnügt-verquer zur Sache ging’s an diesem seelenvollen Konzertabend eigentlich nur einmal: Mit „Astronomy Domine“ rockten sich Gilmour und Band zurück in früheste Floyd-Zeiten: die Lichter feuerten in allen Farben. Die Suite für Syd Barrett sollte folgen: „Shine on you Crazy Diamond“ gab’s zwar nur in einer Kurzfassung – aber spätestens hier verdiente sich Theo Travis großes Lob. Er spielte die Saxophone graziöser als Dick Parry auf den Erfolgsalben der ‘70er – aber genauso nachdrücklich.

Ist es nun eigentlich Publikums-Verhöhnung wenn man seine Fans mit „Comfortably Numb“ heimwärts schickt? Vielleicht sollte man „angenehm betäubt“ lieber mit „beseelt“ übersetzen. Denn die düsteren Zeiten von „The Wall“ scheinen passé: Dem heutigen David Gilmour waren sie noch zwei Lieder und ein großes Solo wert.