Oberhausen. Das Oberhausener Unternehmen GHH Radsatz setzt auf die wirtschaftlichen Chancen der Verkehrswende. Mit Erfolg: GHH plant Neueinstellungen.

Schüler gehen weltweit freitags auf die Straße, die Politik verbietet immer mehr Plastikprodukte, CO2-Abgabe und mögliche Steuererhöhungen beherrschen die öffentliche Diskussion: Die Themen Klimaschutz und Nachhaltigkeit sind derzeit omnipräsent. Ein Aspekt geht da vergleichsweise unter: Auch für die Industrie ist Nachhaltigkeit ein Thema. Ein Oberhausener Unternehmen investiert Jahr für Jahr einen Millionenbetrag, um diesen Bereich zu stärken.

Radsatz-Geschäftsführer Ronald Seidelman in der Werkshalle des Unternehmens in Sterkrade.
Radsatz-Geschäftsführer Ronald Seidelman in der Werkshalle des Unternehmens in Sterkrade. © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

GHH Radsatz – als Produzent von Radsatzsystemen für Züge und Straßenbahnen auf der ganzen Welt ohnehin auf klimafreundliche Mobilität spezialisiert –baut seit Jahren sukzessive den Bereich Service aus, setzt also verstärkt auf Wartung und Reparatur statt auf die Neuproduktion. „Das spart Ressourcen und Energie, von der Stahlproduktion bis zur Fertigung“, sagt GHH-Geschäftsführer Ronald Seidelman.

Mit dem Verkauf neuproduzierter Radsätze würde das Unternehmen derzeit zwar mehr Geld verdienen, „aber das kann auf Dauer nicht die Lösung für unsere Gesellschaft und letztlich auch nicht für unsere Industrie sein“. Seidelman ist davon überzeugt, dass nachhaltiges Arbeiten langfristig auch wirtschaftlich erfolgreicher ist als die Wegwerf-Methode. Radsätze könnten schon jetzt in nur wenigen Wochen so aufbereitet werden, dass sie sich von fabrikneuen Stücken nicht unterscheiden.

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3,2 Millionen Euro investiert GHH Radsatz jedes Jahr in die Weiterentwicklung der Produkte und die Bereiche Wartung und Instandhaltung. Das zahlt sich aus: Dank neuer Aufträge baut das Unternehmen den Betrieb in der vor wenigen Jahren neu gebauten Service-Halle aus; die Mitarbeiter werden künftig in drei statt wie bislang in zwei Schichten dort arbeiten. Das Team soll auch personell verstärkt werden: Mitarbeiter aus den eigenen Reihen werden für den Service qualifiziert, die dann frei werdenden Stellen sollen mit neuen Nachwuchskräften besetzt werden. Wie weit die Belegschaft von derzeit gut 280 Mitarbeitern wachsen wird, werde sich im Laufe des neuen Jahres zeigen, sagt Seidelman.

Experten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz

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Neben der Investition in Technik und Personal setzt GHH Radsatz auch auf die Außendarstellung. Bei einer großen Fachtagung zum Thema Nahverkehr hatte das Unternehmen mit Sitz an der Gartenstraße in Sterkrade jüngst Experten und Verkehrsbetriebe aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zu Gast. Ziel: Überzeugungsarbeit. „Anhand konkreter Beispiele haben wir aufgezeigt, was im Service alles möglich ist“, erklärt Peter Fahl, Service-Leiter des Unternehmens. „Und wir zeigen, dass die Fahnenstange der technischen Weiterentwicklung noch lange nicht erreicht ist.“ GHH Radsatz arbeitet derzeit an Radsätzen, die nicht nur leichter sind als die derzeit marktüblichen, sondern auch sehr viel leiser.

Ende November hat GHH Radsatz zu einer Fachtagung zum Thema Nahverkehr geladen, Experten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz waren zu Gast.
Ende November hat GHH Radsatz zu einer Fachtagung zum Thema Nahverkehr geladen, Experten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz waren zu Gast. © GHH Radsatz | Charly Karl Kanzen

Der wirtschaftliche Erfolg gibt Ronald Seidelman und Peter Fahl recht: Trotz der „Konkurrenz“ von Billiganbietern und Produktpiraten hält das Unternehmen seinen jährlichen Umsatz von rund 84 Millionen Euro. Tendenz steigend. Der Servicebereich ist in den vergangenen fünf Jahren extrem gewachsen und macht mittlerweile einen Geschäftsanteil von zwölf Prozent aus. Für die kommenden Jahre sieht Geschäftsführer Ronald Seidelman keine absehbaren Gefahren auf den Betrieb zukommen.

25 Jahre GHH Radsatz

Das Unternehmen GHH Radsatz gibt es seit 25 Jahren. An der Gartenstraße in Sterkrade produzieren die Mitarbeiter Radsatz-Systeme für Schienenfahrzeuge. Zum Kundenstamm von GHH Radsatz gehören Verkehrsbetriebe auf der ganzen Welt – von Madrid bis Toronto.

Seit 2014 gehört das Unternehmen zum tschechischen Mutterkonzern Bonatrans. Die Produktion, das betonen Geschäftsführung und Mutterkonzern immer wieder, bleibt am Oberhausener Standort erhalten. Eine Verlagerung ins (günstigere) Ausland ist nicht geplant.

Für den langfristigen Erfolg, so Seidelman, stelle das Unternehmen schon heute die Weichen Richtung Verkehrswende. Er glaubt fest daran, dass die Mobilitätswende im Ruhrgebiet umsetzbar ist. „Die Menschen wollen nicht immer im Stau stehen. Sie wollen den öffentlichen Nahverkehr.“ Dieser müsse dringend ausgebaut werden, auch, um den jetzigen komfortablen Lebensstandard zu halten. Es mag eine Vision sein, „aber Visionen braucht man – und wir setzen sie um“, sagt Service-Leiter Peter Fahl. „Es reicht nicht aus, nur über die Verkehrswende zu reden. Wir setzen Ideen um, wir handeln.“