Oberhausen. Der gefragte Soundtüftler und Grande des neuen Progressive Rock spielt in Deutschland im September nur in Hamburg und der König-Pilsener-Arena.

Die 30-jährige Karriere des noch immer jungenhaft wirkenden 52-Jährigen mit dem schmalen Gesicht und der großen Brille brachte der „Daily Telegraph“, so altehrwürdig wie konservativ und seit 1855 in täglicher Rotation, feuilletonistisch auf den Punkt: Die Londoner Tageszeitung nannte Steven Wilson „den erfolgreichsten britischen Künstler, von dem Sie noch nie gehört haben“. Wie weit der Ruf des Progressive Rockers tatsächlich trägt, dürfte sein wohl schon bald ausverkauftes Konzert am Freitag, 25. September 2020, in der König-Pilsener Arena beweisen.

Kein Frontmann der klassischen Rock-Schule, dafür ein Garant für erstklassigen Sound: Steven Wilson live.
Kein Frontmann der klassischen Rock-Schule, dafür ein Garant für erstklassigen Sound: Steven Wilson live. © Steven Wilson Headquarters

Auch das kann wohl nur Steven Wilson, der Gründer von gleich drei erfolgreichen Bands, der als Solist sogar an die Spitzen der Verkaufs-Hitparaden vordrang: Auf seiner Kurztournee „The Future Bites 2020“ bespielt der Multiinstrumentalist auf seinem Weg vom heimischen London über Paris und Mailand nur zwei deutsche Arenen: in Hamburg und Oberhausen. Und ein neues Album ist auch noch nicht ‘raus – aber angekündigt. Auf die hochtourige Produktivität dieses Nimmermüden dürfte Verlass sein.

Alben nach allen Regeln der Tonkunst aufpoliert

Selbst wer sich lieber die Oldies des „Classic Rock“ ins Plattenregal stellt, dürfte mit einiger Sicherheit auch Arbeiten des Top-„Markenartikels“ SW besitzen: Denn Wilson gilt als Genie des 5:1 Surround-Sound, in der Branche gefragt, um klassische 1970er Alben von Jethro Tull über Yes bis Marillion nach allen Regeln der Tonkunst aufzupolieren.

Angefangen hat die Laufbahn dieses Klang-Tüftlers an erlesenem Equipment mit Musikkassetten im Selbstvertrieb. Steven Wilson hat sich – parallel mit den beiden Bands „No-Man“ und „Porcupine Tree“ – aus dem szenigen Underground in aller Gelassenheit seiner epischen Kompositionen nach oben gespielt. Musikalische Qualität hat der Autodidakt allerdings immer hochgehalten: So spielte in der Live-Band des Duo-Projekts „No-Man“ zeitweise die halbe Besetzung der einstigen Artrock-Größe „Japan“.

Sehr britisch: der Multiinstrumentalist an seinen Keyboards und Effektgeräten, platziert auf einem graziösen Holzmöbel.
Sehr britisch: der Multiinstrumentalist an seinen Keyboards und Effektgeräten, platziert auf einem graziösen Holzmöbel. © Steven Wilson Headquarters

Auch mit „Porcupine Tree“ setzte SW früh eigenwillig-eindrückliche Zeichen: So war die CD-Single „Voyage 34“ mit einer halben Stunde Spielzeit und ihrem psychedelischen Ambientsound etliche Jahre die längste, je veröffentlichte Single – und avancierte zu einem Chill-out-Hit. Den Rekord hat dann „The Orb“, ein beliebter DJ-Spielplatz für David Gilmour, eingestellt. Die Vergleiche seiner Prog-Band mit Pink Floyd nannte Steven Wilson allerdings britisch-unterkühlt „bedauerlich“.

Ein kleiner Ausfallschritt in Richtung Disco

Apropos, als weiteres erfolgreiches Nebenprojekt des so erfolgreichen Unbekannten darf „Blackfield“ gelten, mit dem israelischen Rockstar Aviv Geffen als Lead-Sänger. Angekommen in den CD-Fächern sämtlicher Elektrofachmärkte ist Steven Wilson mit seinem großangelegten Konzeptalbum „Hand. Cannot. Erase“, einem Nachruf auf die junge Londonerin Joyce Carol Vincent, die einsam in ihrem Apartment gestorben war – und deren Leichnam erst nach fast drei Jahren entdeckt wurde.

Gefragt bei vielen Fans aus dem Nachbarland

Der Vorverkauf für die „The Future Bites 2020“-Tournee läuft. Da Steven Wilson auf seinem Weg von Mailand über Oberhausen nach Hamburg die Niederlande komplett auslässt, dürften auch die vielen Prog-begeisterten Holländer Karten für die Köpi-Arena begehren.

Tickets gibt’s in drei Preisklassen von 55 Euro über 60 bis 65 Euro, erhältlich bei den bekannten Anbietern und über die Webseite stevenwilsonhq.com/sw/

Auch das aktuellste Album in Steven Wilsons üppiger Discographie ist ein Live-Mitschnitt: „Home Invasion“ wurde in Londons ehrwürdiger Royal Albert Hall aufgezeichnet.

Der Schwere folgte beim auf Kontraste setzenden Meister des Wechselspiels das betont vielfarbige Album „To the Bone“, das sogar Ausfallschritten in Richtung Disco wagte. Live sollte man von Steven Wilson wohl keinen Bühnen-Derwisch erwarten. Dafür liefern der Gitarrist und seine vorzüglichen Musiker einen erstklassig ausgesteuerten Sound, ausgefeilte Filmprojektionen – und bisweilen spielfreudige Langstrecken-Konzerte.