Köln. . Aviv Geffen ist in seiner Heimat Israel ein Superstar – und ebenso umstritten wie beliebt. Weil er Frieden fordert und gegen Machismo eintritt. Seine Band Blackfield hat gerade das dritte, düstere Album veröffentlicht.
Zerbrechlich. Das ist der erste Eindruck. So extrem zerbrechlich, dass sich jeder Gesprächspartner vorkommt wie Conan der Barbar. Stark. Das ist der zweite Eindruck. Eindruck eins wird durch Eindruck zwei bereits in den ersten Minuten revidiert. Weil da diese Augen sind. Ihr Blick ist sehr tief, dunkel, intensiv. Und diese außerordentliche Präsenz. Beim Interview ist Aviv Geffen (37), in seiner Heimat Israel ein Superstar, konzentriert, höflich und nachdenklich. Für jede Antwort lässt er sich Zeit. Typen, die Schrott verballern, ticken anders.
Anderen mit Respekt begegnen
Geffen ballert ohnehin nicht. Weil er Pazifist ist. Geffen glaubt an eine humanere Welt: „Die ich predige, könnte man sagen. Musik ist die wirksamste aller Waffen. Sie kann dein Leben verändern. So wie Lennon und Pink Floyd und Dylan mein Leben verändert haben. Musik kann dazu beitragen, dich sanfter, menschlicher und geduldiger zu machen und anderen mit Respekt zu begegnen.“
Die Voraussetzungen dafür waren nicht eben günstig. Geffen entstammt einer Prominenten-Familie. Der Vater war ein berühmter israelischer Dichter, der Onkel, Moshe Dajan, Minister. Geffens Eltern sind Bohemiens und Drogen und Alkohol waren an der Tagesordnung. Die Musik bietet Zuflucht. Und macht ihn, mit gerade 17, in seiner Heimat zum Star. Aber auch zum Feindbild reaktionärer Kräfte. Weil er nicht zum Wehrdienst geht. Weil er sich fingerdicke Kajalbalken um die Augen malt. Die Lippen schminkt. Und in Frauenkleidern auftritt: „In gewisser Weise ist das, was ich auf der Bühne trage, eine Maskerade. Dass ich mich schminke und wie eine Frau anziehe, richtet sich gegen den Machismo, der in Israel weit verbreitet ist und auch gegen die Verurteilung von Homosexuellen in meinem Land.“
Er fordert Frieden
Fast noch schlimmer, er fordert Frieden: „Wenn ein Stück Land mehr wert ist, als ein Menschenleben, macht mich das wütend.“ 2009 hat das israelische Jugend-Idol seine erste englischsprachige Solo-CD veröffentlicht: „Ich habe damit ein Tor geöffnet, um auch außerhalb von Israel gehört zu werden. Und es ist ein ganz großes Tor.“
Das aber, zumindest für Insider, seit geraumer Zeit schon einen Spalt breit offen steht. 2004 nahm Geffen, mit dem „Porcupine Tree“-Sänger Steven Wilson das Debüt-Album „Blackfield“ auf, gerade ist das dritte Blackfield-Album erschienen. Das Cover von „Welcome To My DNA“ – ein sehr tiefes, sehr dunkles, intensives Album – zeigt die zerbrechliche Silhouette eines Mannes, der vor einem, wie vergittert wirkenden, Fenster mit Blick auf eine Landschaft aus Wolken, steht. Mit Wolken hat Geffen reichlich Erfahrung. Sein Mega-Hit in Israel „Achshav Meunan“ („It’s Cloudy Now“) wurde bereits von „Blackfield“ eingespielt und ist auch auf der ersten englischen Solo-CD dabei.
- Blackfield „Welcome To My DNA“ (K Scope/Edel)