Oberhausen. Ob großer Katalog oder kleines Booklet: Die Ludwiggalerie publiziert zu ihren Ausstellungen eifrig und mit Anspruch.
Aus knallrotem Einband strahlen die leuchtenden Mordillo-Farben und dürften bei „The Very Optimistic Pessimist“ trotz des skeptischen Titels prompt zum Blättern verführen. Bei einem Spezialthema wie „Artefakt und Naturwunder“ zu einem Meisterstück schweizerischer Schnitzkunst der Renaissance ist der Kennerblick gefragt. Doch auch dieser Katalog von 2011 mehrte das Renommee der Ludwiggalerie und fand sein Fachpublikum. Das kleine Team im Schloss Oberhausen präsentiert nicht nur Ausstellungen in Fülle – es unterhält auch eine eindrucksvolle kleine „Bücherfabrik“.
„Zu jeder Ausstellung“, betont Christine Vogt, wollen sie oder die anderen Kuratorinnen inhaltlich Stellung beziehen, „das ist unser Anspruch“. Die spannende Frage bleibt dann: Wird’s aus Kostengründen ein bescheidenes, aber ebenfalls gehaltvolles Booklet im Kleinformat – oder ein schön gebundener Katalog von hundert oder mehr Seiten? Diese Entscheidung kann auch erst fallen, wenn die Arbeit an der Ausstellung schon weit gediehen ist: Bei der Recherche zu „British Pop Art“ (der Frühjahrsschau dieses Jahres) wurde Christine Vogt erst klar: „Das ist so bedeutsam“ – da muss ein großer Katalog her. Denn anders als über die gängigen Namen der US-Pop-Art war über den britischen Pop hierzulande nur sehr wenig publiziert worden.
„Marktlücken“ selbst bei populären Genres
Das mag überraschen, schließlich gilt die Londoner Kunstszene als Ursprungsort der Pop Art. Aber solche „Marktlücken“ tun sich eben selbst bei so populären Genres auf wie der Werkübersicht zu Guillermo Mordillo vor zwei Jahren. Tassen, Puzzlespiele und andere Geschenkartikel – ja, die gab’s. „Aber es existierte damals kein lieferbares Buch auf dem deutschen Markt.“ Geschweige denn eines, das auch die durchaus gewundene Karriere des argentinischen Zeichners so pointiert erzählte. „Wir machen ja keine Bilderbücher“, sagt die Chefin der Ludwiggalerie. „Wir sagen, was wir wichtig finden.“
Und sie sagt es verständlich – unabhängig davon, ob die Kuratorin den Blick auf Feinheiten mittelalterlicher Schnitzkunst lenkt oder die Frage beantwortet, woher eigentlich die „Struwwelpeter“-Frisur kommt. „Wenn man etwas richtig verstanden hat, kann man es auch einfach sagen“, so das Vogt’sche Credo – von dem Katalog-Autoren anderer Häuser oft weit entfernt sind.
An den akademischen Schriftentausch ist die Ludwiggalerie zwar nicht angeschlossen – „das können wir nicht leisten“, bedauert die Direktorin. Doch über Fernleihe dürften Kunst- und Geschichtsstudenten an die meist bei Kerber verlegten Kataloge aus Oberhausen kommen.
Das „Riesenproblem“ der Bildrechte
Denn da ist noch ein „Riesenproblem“, an dem gerade die Gestalter schön ausgestatteter Bücher zu knacken haben: die Bildrechte. Sie für jedes Motiv einzuholen, sei eine enorme Arbeit, die bei der Ludwiggalerie Christiane Brox leistet. „Es wird für uns immer schwieriger zu publizieren.“ Bei der Vorjahres-Ausstellung „Shoot ! Shoot! Shoot!“ über die großen, aber wenig bekannten Paparazzi der 1960er und ‘70er Jahre war die Rechtslage derart vertrackt – „wir durften nicht einmal den Katalog aus der Nicola Erni Collection hier im Shop verkaufen“. Ein Booklet mit einem den Zeitgeist würdigenden Essay gab’s trotzdem.
Auch zur Linda McCartney-Schau, mit der die Ludwiggalerie ins neue Jahr startet, wird’s „nur“ ein Booklet geben. Das liegt daran, dass der Taschen-Verlag mit „Life in Photographs“ und „The Polaroid Diaries“ bereits umfassende Bände vorgelegt hat. Aber Christine Vogt arbeitet bereits „auf Hochtouren“ am Buch über den großen Rosenmontagszug-Satiriker Jacques Tilly: Am PC blättert sie die Seiten auf, noch ohne Text, aber mit den probeweise platzierten Illustrationen. Katalog-Produktion ist ein eingespieltes Pingpong zwischen den Kuratorinnen der Ludwiggalerie und dem Gestalter Uwe Eichholz. „Das geht im Dialog hin und her“, sagt die Direktorin, „das besprechen wir im Tun“.
Den „Mitmach-Struwwel“ gibt’s gratis
Wer gerne in Museumsshops stöbert, weiß: Dort sind Kataloge um einige Euro günstiger als im Buchhandel. Das gilt auch für den „Struwwelpeter“-Katalog, herausgegeben von Linda Schmitz und Christine Vogt: im „kleinen Schloss“ für 29,80 Euro erhältlich statt für 34,50 Euro. Der Katalog „Geschichtsbilder“ zur Ausstellung von Simon Schwartz in der Panoramagalerie kostet 29 Euro.
Gratis gibt’s für Kinder an der Kasse den „Mitmach-Struwwel“, gestaltet von Linda Schmitz und Uwe Eichholz. Das 16-seitige Heft enthält einige Tipps und Aufgaben, um den Museumsbesuch noch spannender zu machen.
Mehr Informationen zur Museumspädagogik gibt’s unter 0208 41249 28, online ludwiggalerie.de
Erstklassige Vorarbeit leistete auch der 56-jährige Jacques Tilly selbst: Alle Entwürfe, Risszeichnungen, Fotografien in Fülle hat er auf einer Festplatte ins Vogt’sche Büro geliefert. „Andere kommen mit Pappkartons.“ Das zügig werdende 96-Seiten-Buch erhält zwar kein großes Katalog-Format – aber es wird die erste Werkschau des Düsseldorfer Wagenbau-Genies, dessen Kreationen nach den tollen Tagen aus schlichten Platzgründen prompt zerstört werden.
Wie schön, dass Bücher bleiben. Der Verlag, meistens ist’s der Kunstbuchverlag Kerber in Bielefeld und Berlin, erhält aus dem Schloss Oberhausen ein fertiges Werk – bis hin zur Gestaltung des Umschlags. Wer sich mehr als einen Katalog der Ludwiggalerie ins Regal stellen kann, erkennt sogar ein bisschen „Corporate Identity“ der kleinen Bücherfabrik.