Oberhausen. . Die Ludwiggalerie im Schloss Oberhausen zeigt bis Januar Mordillos Cartoons. Unter 150 Originalen sind auch rare Beispiele seiner Anfänge als Zeichner
An diesem versonnenen, erkennenden Lächeln wird man sie in der Ludwiggalerie sofort wahrnehmen: die Generation Mordillo. Wer in den 1970ern und frühen 80ern jung war, den haben die Knollennasen das Hinschauen gelehrt. Denn der Meister des wortlosen Cartoons, der nur selten drei Panels für seine Pointen brauchte, war auch ein Erfinder des virtuos befüllten Wimmelbildes.
Der Ludwiggalerie im Schloss Oberhausen erwies der 85-jährige Guillermo Mordillo Menendez die „seltene Ehre“ so Kuratorin Linda Schmitz, 150 Original-Blätter aus seinem Atelier in Monaco zu entleihen. Zuletzt hatte vor 25 Jahren das Altonaer Museum zum 60. des Meisters die 40 x 30-Formate in den strahlenden Mordillo-Farben zeigen dürfen. „The very Optimistic Pessimist“ ist der Titel der aktuellen Ausstellung
Am Anfang war die Maus. Auch der kleine Guillermo in Buenos Aires war Disney-vernarrt und blieb es. In Argentinien, Peru, schließlich in den USA unternahm der junge Mordillo mehrere Anläufe zu seinem Traumberuf als Trickfilmzeichner – bis er in Paris seine Berufung erkannte: eine anrührend-komische Geschichte in einem einzigen Bild zu erzählen.
Mit einer Mordillo-Maus im Micky-Outfit (rote Hose, gelbe Schuhe) zeichnete er diesen Aufbruch: Die Mäuseeltern winken dem bunten Tierchen hinterher, das auszieht aus dem tristen Kellerloch.
Mordillos Anfänge zeigt die Ludwiggalerie in raren Exponaten: Das „Duell auf dem Berg“ von 1949 hat schon die psychedelische Farbenpracht, mit der dieser Zeichner selbst Nachtstücke leuchten lässt. Die frühen Figuren aber sind noch kantiger, manche lachen hämisch. Wie der Zeichner das Knollennasig-Liebevolle aus Tierfiguren entwickelt, lässt sich anhand der Blätter des frühesten Oeuvres anschaulich nachvollziehen.
Für eine einzige Hommage an einen frühen Inspirateur braucht Mordillo ausnahmsweise drei Worte: Es zeigt einen wartenden Möchtegern-Selbstmörder, den Strick um den Hals am riesigen Zeiger einer Turmuhr verknotet. Der enttäuschte Liebhaber kann lange warten, denn der Zeiger wird den Strick nicht straffen. Auf der falsch tickenden Uhr steht „Harold Lloyd Watches“ – und dieses schriftlichen Verweises an den Meister der irrwitzigen Stummfilm-Artistik hätte es gar nicht bedurft.
Zum Erfolg – und zur Allgegenwart auf Kalendern, Tassen, Nippes der 1970er – segelte Mordillo mit dem „Piratenschiff“. Einen ganzen Raum im Schloss Oberhausen füllt diese bezaubernde Odyssee in cinemascopischen Originalen: Die Piraten tragen ihr Schiff durch die nächtliche Stadt, kämpfen mit dem Seeungeheuer, sinken, bauen sich als Schiffbrüchige aus den Inselpalmen einen neuen Kahn – und weiter geht’s mit einer neuen „Galion“.
Die Akribie dieses Wimmelbild-Granden zeigen Bleistift-Vorzeichnungen. Wie sich der Zeichner selbst vor seinen irrwitzig über-befüllten Fußballplätzen und tropischen Urwäldern fühlen mag, zeigt eine besonders schön versteckte Pointe: Ganz unten rechts im grandiosen Gewusel einer Pastorale von barocker Pracht steht ein Maler an seiner Freilicht-Staffelei und setzt den ersten Strich. Daneben befüllt seine Gattin die Picknick-Decke. Was wäre wohl Guillermo Mordillo, der herzige Romantiker, ohne seine Gattin Amparo?
Dass dieser Cartoonist des Herzigen auch bissiger, sogar böser sein kann – für diese Erkenntnis muss man in den dunkel gestrichenen Galerie-Raum unterm Dach aufsteigen: Dort lächelt der Verurteilte, Seite an Seite mit dem maskierten Henker, noch mal Selfie-stolz ins Smartphone. Dort hockt die Friedenstaube auf dem Ende eines Geschützrohrs – und der Kanonier protestiert beim Offizier. Und wer in einer aschgrauen Siedlung sein Häuschen bunt bemalt, wird von der Polizei abgeführt. Man sieht: Der Farbenfrohe ist ein Außenseiter.
Die Ausstellung ist bis zum 7. Januar 2018 zu sehen. Begleitend erscheint ein großformatiger, 130-seitiger Katalog.