Oberhausen. Der FDP-Politiker Karl Graf Stauffenberg sprach in Oberhausen vor 120 Schülern des Sophie-Scholl-Gymnasiums über die Gefahren extremen Denkens.

Die Scherzfrage nahm Karl Graf Stauffenberg gleich selbst vorweg und machte klar: „Tom Cruise ist nicht mein Großvater.“ Aber ja, er ist der Enkel von Claus Schenk Graf von Stauffenberg, jener Mann, der mit einem Bomben-Attentat den Versuch unternahm, dem NS-Wahnsinn ein Ende zu setzen. Aber nicht nur Hollywood hat sich der Geschichte um das vergebliche Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944 angenommen. Längst wird der Mann in Deutschland für die politischen Zwecke der AfD instrumentalisiert. Alexander Gauland nannte ihn einen „Patrioten“, Alice Weidel sieht im Stauffenberg-Attentat „eine historische Stunde, auf die wir als Deutsche stolz sein können“.

Es ist der Nachname, der den 48-Jährigen heute auf ganz eigene Weise verpflichtet. Und es sind nicht zuletzt auch eben jene rechtspopulistischen Kräfte, die den FDP-Politiker zum Streiter für die Demokratie machen und dazu motivieren, durch Deutschland zu reisen, um junge Menschen vor den Gefahren extremen Gedankenguts und politisch-ideologischer Vereinnahmung historischer Ereignisse zu warnen.

In Streifenhemd und blauen Chucks

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Auf Einladung der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit kam Karl Graf Stauffenberg am Mittwoch, 6. November, ans Sophie-Scholl-Gymnasium nach Sterkrade und hielt sodann ein deutliches Plädoyer für die Demokratie und einen verantwortungsvollen Umgang mit Frieden und Freiheit.

„Die Sprache in der politischen Diskussion hat sich verändert. Seit der Flüchtlingswelle von 2015 erleben wir immer mehr Beschimpfungen und Hasstiraden, insbesondere im Internet“, konstatierte Karl Graf Stauffenberg zu Beginn. Diese kämen aber nicht nur aus der rechten Ecke. Das Problem sei genauso am linken Rand des politischen Spektrums zu beobachten und vermeintlich oft unter dem Schlagwort „Antifaschismus“ getarnt.

In Streifenhemd und blauen Chucks (dafür mit goldener Gürtelschnalle samt Initialen und Familienwappen) gab sich der adelige Enkel den etwa 120 gespannt zuhörenden Zwölftklässlern locker und nahbar, brachte aber die ernsten Unzumutbarkeiten dieser Tage auf den Punkt: Rechtsextreme Gewalt und offenkundiger Antisemitismus seien anno 2019 im liberalen Deutschland aktueller denn je. Man muss also nicht erst die Zeit 75 Jahre zurückdrehen.

Stauffenberg: „Mein Großvater ist für mich kein Held“

Schülerfragen beschäftigen sich mit dem Attentat

Ob er ein Attentat gegen Mitglieder der AfD heute für gerechtfertigt halte, wollte ein Schüler, offenbar mit Schelm im Nacken, wissen. „Davon würde ich Abstand nehmen“, entgegnete Stauffenberg und machte klar: „Es ist aber unsere Aufgabe, sie in ihrer Meinung zu stellen und die Diskussion zu suchen.“

Eine Schülerin stellte zuvor noch die überaus philosophische Frage, ob es denn überhaupt gerechtfertigt sei, den Tod eines Einzelnen in Kauf zu nehmen, um viele Menschenleben zu retten. Stauffenberg dazu: „Das ist eine schwierige Frage. Die kann ich nicht beantworten. Das muss jeder mit seinem Gewissen vereinbaren.“

Gleichwohl versuchte Karl Graf Stauffenberg in einem notwendigen historischen Exkurs die zeitlichen Umstände zu erklären, unter denen sein Großvater lebte, um besser zu verstehen, wie aus einem Wehrmachts-Oberst, der an mehreren Feldzügen der Nazis beteiligt war, eben jener Widerstandskämpfer werden konnte, der sich bewusst dem herrschenden System entgegenstellte und sein Leben aufs Spiel setzte.

„Mein Großvater ist für mich kein Held“, resümierte Stauffenberg, gleichwohl tauge er aus seiner Sicht heute durchaus als Vorbild: „Er hat Verantwortung übernommen, für sich, seine Familie und sein Land.“ Ihn als Nazi darzustellen sei aber genauso falsch, wie zu behaupten, dass er kein Antisemit gewesen sei. „Antisemitismus war zu seiner Zeit eine vorherrschende Mainstream-Meinung“, erklärte Stauffenberg.

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Dass die AfD, die er nicht beim Namen nennen wollte, heute für die freiheitlich-demokratische Ordnung der Bundesrepublik die größte Gefahr darstelle, habe nicht zuletzt die Landtagswahl in Thüringen gezeigt. Auf das Bundesland, das immer wieder auch Neonazis zu „Rechtsrock-Festivals“ anziehe, schaue er mit Sorge. Den Schülern machte er mitunter deutlich, wie abstrus beispielsweise die repressive Zuwanderungspolitik der Partei erscheint, da Deutschland ganz im Gegenteil auf Migranten aus dem Ausland angewiesen sei.

Verantwortung, dass kein rechtsextremes Gedankengut entsteht

Er appellierte eindrücklich an die demokratische Verpflichtung der Schülerschaft. Es sei vor allem auch an ihnen, Verantwortung zu übernehmen und in ihrer Umgebung dafür zu sorgen, dass kein extremes Gedankengut entsteht. Denn egal ob politischer Extremismus, religiöser Fundamentalismus oder gar Marktradikalismus: „Jeder Extremist ist Mist“, so Stauffenberg.