Oberhausen. Als allererste Spielzeit-Premiere inszeniert Leandro Kees im Saal 2 eine hinreißende Choreographie im Disco-Groove der 1970er: „Oh yeah, Baby!“

Einige Mädchen trugen sogar die passenden Glitzerpullis. Schließlich geht’s ins Theater – und dessen Saal 2 hat sich an diesem Morgen für die allererste Premiere der Saison in eine Disco verwandelt: Ein schön geschwungener Neonschriftzug zeigt den Titel „Oh yeah Baby!“, die Lautsprecherboxen tragen das berühmte „Marshall“-Signet. Doch von der kalten Pracht heutiger Tanzpaläste sind Emilia Reichenbach und Marie-Lena Kaiser auf ihrem niedrigen Laufsteg zum Glück weit entfernt.

In der Trance des guten, alten Disco-Grooves von 100 bis 120 Beats pro Minute: „Flow“ heißt das hellwache Entrücktsein, wie es Emilia Reichenbach hier vortanzt.
In der Trance des guten, alten Disco-Grooves von 100 bis 120 Beats pro Minute: „Flow“ heißt das hellwache Entrücktsein, wie es Emilia Reichenbach hier vortanzt. © Theater Oberhausen | Isabel Machado Rios

Ihr Publikum in Leandro Kees’ Schauspiel / Choreographie „Oh yeah Baby!“ sind hellwache Zwei- und Dreijährige auf dem gepolsterten Boden – und ebenso viele Erwachsene. Dass alle Altersgruppen sich über dieselben Pointen und erstaunlichen Bewegungen amüsieren, zeigt nicht nur, wie animierend die frühe Discomusik der 1970er auf die Kleinen wirkt. Emilia Reichenbach, die Schauspielerin vom Oberhausener Ensemble, und die Gast-Tänzerin Marie-Lena Kaiser haben sich auch wunderbar ins Klein-Sein eingefühlt.

Selbstvergessene Forschung am Bauchnabel

Denn diese spritzigen 40 Minuten beginnen ganz sacht im Schneidersitz zu allmählich Schwung aufnehmenden Gitarrenklängen. Zunächst tanzen nur die Finger des Duos unter der Neonschrift. So selbstvergessen und stillvergnügt, wie es ihr junges Publikum vorlebt, erkundet Emilia ihren Bauchnabel. Daraus wird Slapstick, wird bodenakrobatisches Spiel – und als „KC and the Sunshine Band“ einsetzen, gerät der Sitz-Tanz immer sportlicher.

Sitz-Tanz, aber sportlich: Zum Funk der „J. B.’s“ funktioniert das wunderbar – und die Kleinen schauen nicht nur zu.
Sitz-Tanz, aber sportlich: Zum Funk der „J. B.’s“ funktioniert das wunderbar – und die Kleinen schauen nicht nur zu. © Theater Oberhausen | Isabel Machado Rios

Die Kleinen glucksen vergnügt, die beiden Großen konkurrieren um den dicken Lichtknopf, der ihren Tanz ins Spotlight setzt. Die Posen des „Saturday Night Fever“-Jahrzehnts bieten Leandro Kees und seinen Protagonistinnen einen reichen Zitatenschatz – aber den muss man gar nicht erkennen. Das beweisen die einander umtanzenden Mädchen vor der Bühne, die für einen Moment die Show übernehmen.

Slapstick mit fliegendem Knabberkram

Schließlich liegen die beiden großen Tänzerinnen japsend am Boden, Marie-Lena quer über Emilia, und zeigen eine hinreißend schräge Slapstick-Nummer mit fliegendem Knabberkram. Disco-Tanz macht hungrig. Als dann der schwerere Funk der „J. B.’s“ einsetzt, also von James Browns einstiger Tourband, sind die Zwei wieder als Sitz-Tänzerinnen aktiv, lassen die Arme wild zum Posaunen-Solo wirbeln. Und die Kleinen? Die sitztanzen mit, klatschen – oder chillen, völlig entspannt auf dem Rücken liegend. Beim herzlichen Applaus für diese so ansteckende wie witzige Disco-Show waren sie dann wieder hellwach.

Bleibt nur die spannende Frage: Wie würde wohl das Publikum eines Großraum-Tanzetablissements auf diese brillante Performance reagieren?

Weitere Vorstellungen im September beginnen am Samstag, 28., um 16 Uhr und Sonntag, 29., um 15 Uhr. Karten kosten 5 und 8 Euro, theater-oberhausen.de