Oberhausen. MAN-Azubis starten an der Hochschule Ruhr West die Ausbildung. Erster Test: Luftschiffe bauen. In der offenen Werkstatt sind Bastler willkommen.
Geist und Hand – das ist für das weltbekannte MIT (Massachusetts-Institut für Technologie) in Boston, USA, seit Gründerzeiten Motto. Wer seinen Geist formt und lernt, der muss wissen, wie er damit Gutes anfangen kann. Die Auszubildenden von MAN Energy Solution in Oberhausen beginnen daher ihre Lehrzeit mit einem Kennenlernen im Bottroper „FabLab“ (kurz für Fabrikationslabor). Im Labor für Erfinder gilt: erst denken, dann umsetzen.
Helium, Ballons, ein wenig Aufregung und es ist unausweichlich: Als die Azubis ihre ersten Ballons mit dem Gas befüllen, zerplatzt auch der eine oder andere und es knallt in der offenen Werkstatt der Bottroper Hochschule Ruhr West ordentlich. Ursache ist in erster Linie der Ballon selbst und nicht die in ihm gefangene Luft. Lisa Bartsch, zuständig für die Azubis bei MAN, erklärt, warum diese Aufgabe zum Start trotzdem eine gute Idee für alle Berufsanfänger – vom Kaufmann bis zum Mechaniker – ist.
„Wir haben bei uns die additive Fertigung, bei der keine klassische Konstruktion von Null an nötig ist und deswegen kennen wir uns bei einzelnen Segmenten mit dem 3D-Druck aus.“ Dazu wichtig: Die jungen Mitarbeiter sollen Teams bilden und kreativ sein. Im Gegensatz zum Werk Oberhausen erhalten die Azubis fertige Propelleraufnahmen aus Plastik, mit dem die Zeppeline aus Ballon, Kleber und Gummiband (für den Vorschub als Antrieb) möglichst selbstständig durch die Flure der Uni fliegen. Nach einer kurzen Anleitung wird die Gruppe in zwei Teams aufgeteilt.
Ideen werden serienreif
„Heute geht es nicht darum, die andere Gruppe zu schlagen – ihr müsst nur besser sein als eure Ingenieure“, sagt Robert Reichert und lacht, weil die Techniker von MAN erst kürzlich zu Besuch waren. Der wissenschaftliche Mitarbeiter arbeitet seit fast zehn Jahren im FabLab und die offene Werkstatt für Erfinder hat er mit aufgebaut. „Jeder darf hier basteln und werkeln“, erklärt er. Kein Wunder dass bei so viel Freiheit Ideen oftmals serienreif sind.
Einladung an alle Erfinder: Offene Abende in Bottrops FabLab
Die offenen Abende im FabLab (Raum 4.101, HRW, Lützowstraße 5 in Bottrop) finden mittwochs von 15.30 bis 19.30 Uhr statt. Jeder kann dort 3D-Drucker, Vitual-Reality-Brillen, Laser Cutter und vieles mehr ausprobieren oder eine eigene Idee verwirklichen.
Das studentische Innovationslabor erhält Geld aus Qualitätsverbesserungsmitteln. Wer das Angebot nutzt, beispielsweise Teile per 3D-Drucker produziert, muss nichts zahlen. Um schon beim ersten Besuch gleich aktiv werden zu können, am besten einfach die Formulare auf fablab.hochschule-ruhr-west.de ausdrucken und unterschrieben mitbringen.
So entstammt zum Beispiel die „Safe Shorts“, eine reiß- und schnittfeste Anti-Vergewaltigungsunterhose für Frauen, dem Erfinderlabor an der Lützowstraße. Und Robert Reichert hat ebenfalls ein Projekt im Sinn, wenn erst der Umzug 2020 ins Gründerzentrum Prosper III geschafft ist. Dort steht seinem Team dann viermal so viel Platz zur Verfügung, denn das Labor ist zurzeit nur so groß wie ein Fünfmeterraum im Fußball. Im neuen FabLab, so plant er, kann er einem guten Freund bei seinen gesundheitlichen Problemen helfen.
Erfinderisch: Eine Jacke bewegt den linken Arm
„Er hatte einen Motorradunfall und jetzt einen linken Arm, den er nicht bewegen kann.“ Der Tüftler will eine Jacke entwerfen, die mit Sensoren, Motoren und Schnüren die Bewegungen des rechten Arms spiegelt. „Im Prinzip kann man sich das als eine Marionette vorstellen.“ Ein Exoskelett als Stützstruktur für halbseitig-gelähmte Menschen wäre eine große Sensation, wenn sie gelingt.
Für die Azubis ist allerdings schon die richtige Konstruktion und das Basteln an den Luftschiffen eine kleine Herausforderung. Leonie Conrad, 18, angehende Industriekauffrau und Nele Thielert, 19, auf dem Weg zur Zerspanungsmechanikerin, haben trotzdem Spaß mit dem Modell ihrer Gruppe.
„Natürlich hat das wenig mit dem Arbeitsalltag zu tun“, sagt Leonie Conrad und fordert einen neuen Kollegen auf, den Propeller rechtsherum mit dem Akkuschrauber aufzuziehen. „Doch so lernen wir uns alle kennen und haben nebenbei etwas über Aerodynamik erfahren“, ergänzt Nele Thielert.
Pepper will doch nur spielen
Und genau darum geht es im Erfinderlabor: Ängste vor neuer Technik sollen reduziert und die Digitalisierung greifbar gemacht werden. Labor-Bewohner„Pepper“ ist ein gutes Beispiel. Freundlich fragt der kleine Mann, ob man zusammen spielen will. Darauf ist Pepper programmiert. Demenzkranke sollen mit solchen etwa 1,20 Meter großen Robotern interagieren und im besten Fall eine Verbindung aufbauen – doch bis Pepper die Besucher durchs Labor führt, wird noch etwas Zeit vergehen. Ganz nach dem Motto: Geist und Hand.