Oberhausen. . Das Jahrzehnt war turbulent – auch in Oberhausen. In den 60er Jahren tanzte man nach Beat-Musik, demonstrierte und trug gewagte Kleidung.

Die 1960er Jahre waren eine spannende Zeit. Miniröcke wurden modern, neue Musik entsetzte die Altvorderen und entzückte die Jugend und neue Bewegungen versuchten eingefahrene Denkweisen zu verändern – mit mehr oder weniger großem Erfolg.

Die 60er Jahre in Oberhausen werden hingegen überschattet von der Schließung der Zeche Concordia im Jahr 1968 und die Übernahme in Form eines Aktientauschs der HOAG durch die August Thyssen-Hütte im Jahr 1969.

Mobilität war ein Zeichen des Wohlstands

Das Lebensgefühl zu Beginn der 60er Jahre in Oberhausen war weiterhin von den 50er Jahren – den Wirtschaftswunderjahren – geprägt. Nachdem das Mammutprojekt Wiederaufbau in der Stadt gelungen war, rückten für die Bürger nun andere Themen in den Fokus: Freizeit, Reisen und Mobilität. Man wollte den neuen Wohlstand genießen.

Ein gutes Beispiel stellt die private Mobilität dar: Zu Beginn des Jahres 1962 waren schon 19.108 Pkw in Oberhausen angemeldet und dies nicht nur von wohlhabenderen Bürgern. Allein 7580 Arbeiter und 5598 Beamte und Angestellte besaßen ihren eigenen Wagen. Dies mag überraschen, da noch Ende der 50er Jahre in Oberhausen schwer um einen Zubringer an die Hollandautobahn für die Stadt gerungen werden musste und die Zerstörung eines Goggomobils 1959 mit einer Axt – der Besitzer des Wagens war ein Bergmann – Schlagzeilen machte. Am Ende der 60er Jahre waren zu guter Letzt 49.817 Pkw in Oberhausen angemeldet.

Dass sich das Freizeitverhalten der Oberhausener insgesamt in den 60er Jahren änderte, lässt sich auch an den Besucherzahlen des Kinos ablesen: Diese fielen von knapp 2,5 Millionen auf gut 850.000. Erklären lässt sich der Rückgang durch den zunehmenden Fernseh-Konsum, da das TV-Programm immer mehr ausgebaut wurde.

Aufarbeitung der Zeit des Nationalsozialismus

Die Internationalen Kurzfilmtage waren trotzdem sehr beliebt. 1962 betonte das Oberhausener Manifest mit der Botschaft „Papas Kino ist tot!“ die Bedeutung der Kunstform Film für die Kultur. In den 60er Jahren wurden internationale Filme wie „Schornstein Nr. 4“ (1966) mit Romy Schneider und „Götterdämmerung“ (1968) in Oberhausen gedreht.

Daneben sind die 1960er Jahre als ein Jahrzehnt des gesellschaftlichen Aufbruchs bekannt. Besonders jüngere Menschen, die die Zeit des Nationalsozialismus nicht miterlebt hatten, forderten von der neuen Demokratie, die Verantwortung für die Menschheitsverbrechen des Nationalsozialismus zu tragen, indem man sie aufarbeitete.

In Oberhausen wurde dieses Anliegen schon 1962 mit der Eröffnung der Gedenkhalle im Südflügel des Schlosses aufgegriffen. In dieser Zeit war die Gedenkhalle noch einzigartig und ein moderner Ansatz, die Vergangenheit nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.

Jugendkultur: Beat-Musik und Miniröcke

„Nur die Wahrheit wird uns frei machen“ – Relief an der Gedenkhalle im August 1962   
„Nur die Wahrheit wird uns frei machen“ – Relief an der Gedenkhalle im August 1962  

Die Jugendkultur zeigte sich in dieser Zeit in vielen Bereichen Oberhausens. In der Stadt wurden mehrere „Beat-Konzerte“ veranstaltet, obwohl es Bedenken gab, dass diese Art von Musik negative Folgen für die Jugend haben und es zu Exzessen kommen könne. Da bei den meisten Konzerten nichts zu Bruch ging, Gläser und Stühle heil blieben, konnte den kritischen Herren von der Stadtverwaltung aber bewiesen werden, dass Beat-Konzerte weniger gefährlich waren als befürchtet.

Das Aufkommen des Minirocks blieb auch nicht unkommentiert. Als das New Yorker Living Theatre in Oberhausen im Jahre 1967 sein Grusical Frankenstein aufführte, erwähnte WAZ-Kritiker Hans Jansen neben der guten Performance der Künstler auch die „Miniröcke, wie man sie sich vor einem Jahr noch kaum erträumt hätte, […]“.

Schüler demonstrierten und stürmten das Rathaus

Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg oder im Rahmen der Studentenbewegungen prägen für viele das Bild der 60er Jahre in Deutschland. Auch in Oberhausen wurde demonstriert, aber meistens aus anderen Gründen. Die größten und bekanntesten Demonstrationen wurden gegen die Schließung der Zeche Concordia veranstaltet.

Gegen die Fahrpreiserhöhungen bei Bahnen und Bussen erstreckten sich die Demonstrationen Anfang 1969 über mehrere Tage in Oberhausen und anderen Ruhrgebietsstädten. Protestierende Schüler und Studierende blockierten in Oberhausen an einem Montag den Verkehr in der Innenstadt, spielten „Schaukel“ mit Straßenbahnen und Bussen – und stürmten das Rathaus. Daneben gab es noch kleinere Demos, etwa gegen die Notstandsgesetzgebung und Wahlkampfauftritte der NPD. Auch die Eröffnung des Friedensdorfes in Oberhausen 1968 wurde von Protesten gegen den Vietnamkrieg und den umstrittenen FDP-Politiker Dr. Erich Mende begleitet.

Die 60er Jahre waren ein spannendes, ein schillerndes Jahrzehnt, das uns heute noch fasziniert, weil viel Neues geschah. Oberhausen hatte Teil an vielen Entwicklungen dieser besonderen zehn Jahre.

WAZ-Matinee: „Schornstein Nr.4“ mit Romy Schneider

http://funke-cms.abendblatt.de:8080/webservice/thumbnail/article/216373831„Schornstein Nr. 4“ (französischer Titel: „La Voleuse“, die Diebin) ist Filmgeschichte: Zum ersten Mal steht Romy Schneider mit Michel Piccoli vor der Kamera – und der Film wurde vor der Industriekulisse der Oberhausener Gutehoffnungshütte GHH und in Oberhausen-Borbeck gedreht.

Nach fast 53 Jahren gibt’s den Schwarz-Weiß-Film (88 Minuten) wieder auf der großen Leinwand – i n einer einmaligen WAZ-Matinee in der Oberhausener Lichtburg am Sonntag, 19. Mai, um 12 Uhr. Für die Vorstellung im Traditionskino an der Elsässer Str. 26 ( 0208-824290) gibt es nicht mehr viele Karten (6 Euro).

Heimlicher Hauptdarsteller des Films ist Oberhausen der
60er Jahre. Um den Hintergrund dieser Zeit zu verdeutlichen, veröffentlichen wir zwei Darstellungen von Historikern des Stadtarchivs zu diesem Jahrzehnt. Nach dem Artikel von Stadtarchiv-Leiter Magnus Dellwig ist auf dieser Seite der Text seines Kollegen Daniel Simon Böhmer zu lesen.