Von der Hochschule in den Bundestag als jüngster Abgeordneter: Wie Roman Müller-Böhm (25), FDP-Chef in Oberhausen, die große Politik betrachtet.
In dieser Woche wird der jüngste Bundestagsabgeordnete Deutschlands 26 Jahre alt.
Roman Müller-Böhm mischt dann als Kandidat des Wahlkreises Oberhausen/Dinslaken bereits seit 14 Monaten in der großen Berliner Politik mit, sitzt gleich in drei Fachausschüssen (Verbraucherschutz, Tourismus und Umwelt), fungiert als Chef von fünf Mitarbeitern, erhält knapp 10.000 Euro im Monat an Abgeordnetenentschädigung – und hat als Mülheimer Jung hier vor Ort mit der unangekündigten, erfolgreichen Kandidatur als Oberhausener FDP-Kreisvorsitzender gleich die alte Garde weggebissen.
Wie ein ausgebuffter Profi-Politiker
Dies ist schon eine respektable Blitzkarriere für einen Bochumer Jura-Studenten, dessen Abiturzeit auf der Luisenschule in Mülheim gerade mal ein paar Jahre her ist.
Dass junge Leute durchaus ganz viel Können und Tatkraft mitbringen, wird oftmals in dieser Republik unterschätzt. Wenn man sich aber mit Müller-Böhm unterhält, dürften selbst aufgeschlossene Gesprächspartner verblüfft sein: Der nun zugleich in Oberhausen und Berlin wohnende Student agiert und redet so souverän wie ein ausgebuffter Profi-Politiker, der 50 Jahre lang alle Höhen und Tiefen des Geschäfts durchlaufen hat.
So hat er nach seiner Darstellung die Spitze des FDP-Kreisverbandes nicht überfallartig von der erfahrenen Ratsfrau Regina Boos erobert, um seine Machtbasis auszubauen, sondern: „Verschiedene Leute haben mich gefragt, ob ich nicht kandidieren will, weil wir was Frisches an der Spitze benötigen. Seit 40 Jahren ist das hier recht gleichförmig gelaufen.“
„Ich weiß, wie das Ruhrgebiet tickt“
Dass ihm als Ur-Mülheimer Detailkenntnisse aus seinem Wahlkreis fehlen, umschifft er elegant: „Ich bin ein Kind des Ruhrgebiets, bin in Essen geboren, in Mülheim aufgewachsen, wohne jetzt hier, bin aber meist in Berlin. Ich fühle mich der Region, nicht unbedingt einer Stadt zugehörig. Und ich weiß, wie das Ruhrgebiet tickt.“
Den Verdacht, da könne bei jemanden Geltungssucht eine Rolle spielen, wenn er noch seine Rede im Bundestag nach Mitternacht am Rednerpult vor einem fast leeren Plenarsaal hält statt sie einfach zu Protokoll zu geben, räumt er so aus: „Wenn man dort ans Pult tritt, dann ist das was Superbesonderes, das macht man trotzdem – man kann das dann ja noch über die sozialen Medien verteilen.“
Selbst wenn man mit ihm über den persönlichen Umgang von bundesweit bekannten Politikern im Plenarsaal spricht, bleibt er cool: „Man kennt viele Menschen ja dort sonst nur aus dem Fernsehen, da ist man zunächst schon ein wenig ehrfürchtig, aber dann gewöhnt man sich daran ganz schnell. Das ist dort ein sehr kollegialer Umgang miteinander.“
Wie er mit den hohen Diäten umgeht
Und was beobachtet er beim Verhalten der AfD? „Es gibt Grenzüberschreitungen, die nicht nur die Regeln der Höflichkeit, sondern auch juristische Linien verletzen. Doch sobald die TV-Kameras aus sind, benehmen sie sich sozial unauffällig – abgesehen von ihrem oft merkwürdigen Ansichten.“
Nicht aus der Ruhe bringt ihn die Frage nach den hohen Diäten: Was macht er denn als Noch-25-Jähriger mit so viel Geld, lädt er häufiger seine Freunde ein? „Meine Freunde habe ich auch schon früher eingeladen, ich habe mir auch keinen Porsche gekauft. Ich bin nicht verschwenderisch. Aber ich lege natürlich Geld an die Seite, damit ich mir später mal ein Haus kaufen kann. Das kann ich dann eher machen, als ich es geplant hatte.“
Die Politik in Berlin ist ein Zeitfresser
Müller-Böhm bedauert, dass er nicht mehr Zeit für seine Freunde im Ruhrgebiet oder „für meine Lebensgefährtin in Berlin“ hat – viele Wochen arbeite er 70 bis 75 Stunden, manchmal gar bis zu 100 Stunden. Politik sei ein Zeitfresser und entfalte eine hohe Sogwirkung. „Das muss ich aber nicht ewig machen“, denkt Müller-Böhm bereits an seine Zukunft und will daher irgendwann sein unterbrochenes Jura-Studium abschließen.
Im einstündigen Gespräch in der Redaktion bleiben nicht viele Minuten (die Termine drängen), inhaltlich Pflöcke zu setzen. Aber ihn stört, wie wenig in Bildung, in Schulen und in die Ruhrgebiets-Verkehrsinfrastruktur investiert wird, dass es bisher keine Lösung für die Altschulden der Kommunen gibt und die hohen Gewerbesteuern im Ruhrgebiet zur Last für Unternehmen geworden sind.
In Ratsentscheidungen will er sich als FDP-Chef hier nicht einmischen, versichert er und pocht auf Aufgabentrennung – allerdings: „Ich halte es für falsch, wenn die FDP hier im Rat einer Gewerbesteuererhöhung zustimmt, das widerspricht der DNA der Partei.“
Tipps für den Bundestag hat Müller-Böhm auch: „Es geht alles unglaublich langsam voran – durch umständlichen Verfahrensformalismus. Ich musste erst mal lernen, ein Fax zu bedienen, weil ohne Anträge per Fax geht da nichts.“ Es ist ihm durchaus zuzutrauen, dass mit ihm bald vieles schneller geht.
Auf Listenplatz 18 in den Bundestag gerutscht
Roman Müller-Böhm war 24 Jahre alt, als er bei der Bundestagswahl am 24. September 2017 über den Listenplatz 18 seiner Partei FDP in den Bundestag gewählt wurde. Im Wahlkreis Oberhausen/Dinslaken, den Dirk Vöpel (SPD) mit 38,5 Prozent der Erststimmen gewann, holte der Jungpolitiker 6,3 Prozent der Erststimmen (9357 Wähler).
Die FDP-Liste in NRW zog überraschend bis zum Platz 20, weil die NRW-FDP bei der Bundestagswahl 13,2 Prozent holte.