Oberhausen. . Wer im hohen Norden Oberhausens wohnt, hat eine fünf Mal so große Chance, aufs Gymnasium zu gehen, wie Kinder in Tackenberg oder Lirich.

Ein Kind, das in einer Familie im Stadtteil Walsumermark aufwächst, hat fünf mal so hohe Chancen, auf ein Gymnasium zu wechseln und sein Abitur zu machen, wie ein Kind in Tackenberg-Ost oder Lirich-Süd.

Nur rund 13 Prozent beziehungsweise 15 Prozent der Kinder in Tackenberg oder Lirich schaffen nach der vierten Klasse den Sprung aufs Gymnasium, dagegen sind es im Stadtteil Walsumermark 65 Prozent. Das geht aus neuesten Zahlen der Stadt zu den Übergangsquoten von der Grundschule aufs Gymnasium im Jahre 2017 hervor.

Danach entscheidet in Oberhausen ähnlich wie in anderen Ruhrgebietsstädten der Wohnort des Kindes im Stadtgebiet darüber, welche Bildungskarriere es machen wird. Für Schuldezernentin Elke Münich ist diese Situation ein unhaltbarer Zustand, der sich dringend ändern muss. „Wir haben das Problem erkannt, aber das Problem noch nicht gebannt.“

Benotungspraxis sehr verschieden

Seit Jahren kritisieren internationale Bildungsforscher der OECD, dass gerade in Deutschland mit seinem staatlichen Pflicht-Schulsystem die Bildungschancen von Kindern höchst ungerecht verteilt sind und an Einkommen und Vorbildung der Eltern festzumachen sind.

Die Übergangsquoten von der Grundschule aufs Gymnasium angegeben nach Stadtteilen.
Die Übergangsquoten von der Grundschule aufs Gymnasium angegeben nach Stadtteilen. © Gerd Bertelmann

Der Dortmunder Bildungsforscher Ernst Rösner stellte in Oberhausen 2015 überraschend fest, dass die Übergangsquoten aufs Gymnasium auch in Stadtteilen mit ähnlichen Sozialdaten höchst unterschiedlich sind. Seine damalige Empfehlung: Man sollte die Praxis in den Grundschulen überprüfen, wie der Übergang für die Viertklässler zu den weiterführenden Schulen organisiert wird – und die Benotung erfolgt.

Soziales Umfeld spielt eine Rolle

Nach Angaben der Schuldezernentin sind die Lehrer an den Grundschulen entsprechend geschult worden. „Die Notengebung hat neben den objektiven Kriterien auch immer einen subjektiven Anteil. Außerdem spielt bedauerlicherweise auch das soziale Umfeld des Kindes immer noch eine große Rolle bei der Empfehlung, auf welche Schulart das Kind nach der vierten Klasse gehen soll“, sagt Elke Münich. „Bei einem Teil der Lehrer hält sich leider hartnäckig die falsche Meinung: Wenn Eltern ihre Kinder selbst nicht gut unterstützen können, dann gibt es auch keine Empfehlung fürs Gymnasium oder für eine Gesamtschule mit Oberstufe.“

Deshalb habe man neben der Schulung von Lehrern auch die Beratung der Eltern ausgebaut, um ihnen die Chancen unseres Schulsystems aufzuzeigen.

Entscheidend ist die frühe Förderung

Entscheidend für die spätere Bildungskarriere ist nach Ansicht der Dezernentin aber die frühe Förderung von Kindern, die aus schwierigen Familien stammen. „Auf den Anfang kommt es an, das bleibt mein Grundsatz. Kinder benötigen einen guten Start in eine Kita.“

Oberhausen habe hier schon eine ganze Menge getan: Die Zahl der Plätze für kleine und größere Kinder ist stark ausgebaut worden: man habe zudem 80 Kitas in Familienzentren umgewandelt, die besonders Wert darauf legen, Familien zu beraten und bei Problemen zu helfen. „Wir haben hier eine Menge an Angeboten für Eltern, aber diese sind oft unbekannt.“

>>> Mehr als die Hälfte der Kinder besucht Grundschul-Ganztag

Oberhausen ist nach Einschätzung von Bildungsdezernentin Elke Münich im Vergleich zu Nachbarstädten „weit vorne“ beim Ausbau von Plätzen an Grundschulen, die eine Nachmittagsbetreuung gewährleisten: Mit 4800 Kindern nutzt mehr als die Hälfte der Kinder das Angebot einer Offenen Ganztagsschule (OGS). Individuelle Bildungsförderung, die Unterstützung von Lesefähigkeiten, der Einsatz von Talent Scouts zur Unterstützung von Kindern mit Nachholbedarf und weitere Maßnahmen runden die Angebote ab. „Wir müssen das Potenzial von allen Kindern unabhängig vom Elternhaus und Stadtteil heben“, lautet die Marschroute von Münich.

Verteilung nach Sozialindex

Auch aus diesem Grund dringt die SPD-Ratsfraktion mit ihren Koalitionspartnern Grüne und FDP darauf, die Verteilung von Lehrern, Sozialarbeitern und Sachmitteln künftig nach sozialen Kriterien der Stadtteile vorzunehmen. Dabei soll eine Schule mit vielen Kindern aus sozial schwierigen Familien besonders stark gefördert werden.

Die Sozialdaten für jede einzelne Schule als Grundlage dafür liegen nun vor, die neuen Kriterien für die Verteilung von Kapazitäten könnten 2019 umgesetzt werden.