oberhausen. . Gymnasium bricht mit einer jahrzehntelangen Tradition. Türkisch soll künftig nur noch als Herkunftssprachlicher Unterricht gewählt werden können.

Erhitzte Gemüter im Integrationsausschuss: Eltern und Teilnehmer machen ihrem Unmut laut Luft. Sascha Reuen, seit knapp einem Jahr Schulleiter des Bertha-von-Suttner-Gymnasiums, bricht mit einer jahrzehntealten Tradition.

Türkisch als zweite Fremdsprache wird es ab dem kommenden Schuljahr nicht mehr geben. Die betroffenen Eltern und Schüler fühlen sich falsch informiert, zumal auf der Internet-Seite der Schule offensiv mit „Türkisch als zweiter Fremdsprache“ geworben wurde.

Ein Ersatz für Französisch

Schulleiter Reuen wirbt um Verständnis – und erläutert seine Entscheidung. Türkisch als gleichwertigen Ersatz für die zweite Fremdsprache gibt es am Bertha seit den 1980er Jahren. In Duisburg konnte Türkisch sogar als Abiturfach gewählt werden. In Oberhausen habe sich das Sprachangebot aber seit Jahren nur noch auf die Sekundarstufe I beschränkt, sagt Reuen.

Ins Wanken kam dieses Angebot des Bertha, weil die einzige Türkischlehrerin aus persönlichen Gründen einen Schulwechsel plant. Für Reuen der Anlass, sich diesen Unterricht genauer anzusehen. Der fungiert als vollwertige zweite Fremdsprache – und damit als Ersatz für Latein oder Französisch. Damit hätte Reuen jetzt sogar – wie für jeden Fremdsprachenunterricht – gleich zwei neue Lehrkräfte einstellen müssen. „Doch das geben die Teilnehmerzahlen nicht her.“ Denn aktuell nutzen in der sechsten Jahrgangsstufe nur elf Schüler den Türkisch-Unterricht. Bis zur neunten Jahrgangsstufe seien es insgesamt 38. „Nur 38 von 951 Kindern aus 24 Nationen.“

„15 von 628 Unterrichtsstunden bis zur Oberstufe“

Selbst viele türkische Eltern und Kinder hätten sich lieber für den Latein- oder Französisch-Unterricht entschieden. „Wir haben 155 Schüler mit türkischer Staatsangehörigkeit am Bertha; Kinder mit türkischen Wurzeln gibt es an unserer Schule aber noch deutlich mehr. Das Interesse ist also gering.“

Dem stehe ein Lehrermangel in Fächern wie Mathematik, Philosophie, Erdkunde oder Deutsch gegenüber. „Als Schulleiter muss ich die Interessen aller Schüler vertreten“, sagt Reuen. Lediglich 15 Unterrichtsstunden entfielen auf den Türkisch-Unterricht. „15 von 628 Unterrichtsstunden bis zur Oberstufe.“ Für diese geringe Stundenzahl eine Lehrkraft einzustellen und dafür zu ignorieren, dass es an anderen Stellen allzu eng sei, „das geht nicht“.

Für alle Schüler, die sich bereits im Bildungsgang „Türkisch als zweite Fremdsprache“ befinden, gelte aber: „Sie können diesen Weg bei uns so zu Ende führen und müssen jetzt keine dritte Fremdsprache dazu wählen.“ Er werde dafür befristet eine Lehrkraft einstellen.

Zusätzlich zu Latein oder Französisch am Nachmittag

Auch den Türkisch-Unterricht am Bertha will Reuen langfristig erhalten. „In enger Zusammenarbeit mit der Schulaufsicht soll unser Gymnasium zum nächstmöglichen Zeitpunkt als Standortschule für den Herkunftssprachlichen Unterricht in Türkisch werden.“

Rein formell sei der Türkisch-Unterricht das auch stets gewesen. Denn er habe nur den türkischen Kindern offen gestanden. Lehrkräfte für den Herkunftssprachlichen Unterricht (HSU) könnten nun aus einem anderen Topf finanziert werden. Der Unterricht selbst finde dann aber zusätzlich zu Latein oder Französisch am Nachmittag statt. Gute Leistungen im HSU könnten schlechte Leistungen in der Wahlsprache ausgleichen.

„Das ist gar kein Angebot“

Für die betroffenen Eltern ist diese neue Unterrichtsvariante des Bertha-Schulleiters für Türkisch aber keine Alternative. „Das ist gar kein Angebot. Die Stundenzahl ist zu gering, damit könnte unser Kind an keine andere Schule wechseln, das würde als zweite Fremdsprache nicht anerkannt.“

Die Qualität des HSU habe sich deutlich verbessert, hält Reuen dagegen. Türkisch könnte damit sogar als Abiturfach gewählt werden – einige Gesamtschulen böten das an. Einen Haken habe die Sache allerdings: „Auch der Herkunftssprachliche Unterricht kommt nur zustande, wenn dauerhaft mindestens 18 Schüler teilnehmen“, sagt Reuen. Dafür will er nun in der Stadt die Werbetrommel rühren.

>>>>>> Nicht wegen der Herkunft abgelehnt

Etem Basoglu, Mitglied im Integrationsausschuss des Rates der Stadt Oberhausen, lieferte sich einen kurzen Wortwechsel mit Bertha-Schulleiter Sascha Reuen. Das Ausschussmitglied behauptete: „Kinder, die das Fach Türkisch als zweite Fremdsprache jetzt wählen wollten, sind von der Schule abgelehnt worden.“

Nach diesem schweren Vorwurf versicherte Sascha Reuen im Ausschuss sofort: „Ablehnungen von Schülern hatten nie etwas mit ihrer Herkunft zu tun, das hatte ausschließlich schulische Gründe.“