Oberhausen/Essen/Duisburg.. Anwalt des Schaustellers widerruft Vergleich mit der Unfallopfer-Seite. Für eine 22-Jährige und ihre Familie kommt das völlig überraschend.
Der Rechtsstreit zwischen einer beim Unfall auf der Fronleichnamskirmes 2015 schwer verletzten 22-Jährigen und dem dafür verantwortlichen Schausteller geht nun doch in die nächste Runde. Kurz vor Ablauf der gesetzlichen Frist hat der Rechtsanwalt des beklagten „Love Express“-Betreibers einen mit der Opfer-Seite vor rund drei Wochen geschlossenen sogenannten Widerrufsvergleich aufgekündigt, auf den sich beide Seiten zuvor geeinigt hatten. Für die 22-Jährige und ihre Familie kam das völlig überraschend, berichtet ihr Vater Dirk K.: „Ich kann das überhaupt nicht nachvollziehen. Ich finde das dreist.“ Der Widerruf sei außerdem am letztmöglichen Tag gekommen und ohne jede nähere Begründung.
Zwei Wochen Zeit, um den Vorschlag anzunehmen
Die Kammer am zuständigen Duisburger Landgericht hat bei einem Verkündungstermin am Freitag das weitere Vorgehen festgelegt. Sie tritt nun in die Beweisaufnahme ein. Zu einem für Ende September angesetzten Verhandlungstermin werden Zeugen geladen, die dem Gericht dann weitere Angaben zu den Unfallfolgen für die 22-Jährige machen sollen. Parallel dazu unterbreitete die Kammer einen neuen Vergleichsvorschlag: Darin wird eine sogenannte Feststellung seitens des Gerichts konkretisiert. Der beklagte Schausteller und damit dessen Versicherung sollen neben der Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 50.000 Euro insbesondere für weitere, derzeit noch nicht absehbare kieferorthopädische Behandlungskosten aufkommen. Dieser Punkt war im Widerrufsvergleich noch offener gefasst. Beide Parteien haben nun zwei Wochen Zeit, den Vorschlag anzunehmen. Der Vater der 22-Jährigen hatte vor dem Verkündungstermin allerdings bereits betont: „Wir sind nicht bereit, weitere Zugeständnisse zu machen.“ Er vermutet, dass der erste Vergleich auf Druck von der Versicherung des Schaustellers gescheitert ist. Dessen Anwalt hat sich bislang nicht öffentlich zum Verfahren äußern wollen.
Achtstündige Operation im Krankenhaus
Die junge Frau aus Essen hatte am 6. Juni vor zwei Jahren durch von dem Fahrgeschäft abfliegende Metallteile Brüche am gesamten Kopf erlitten. „Das ganze Gesicht war zerstört“, sagt der Vater, der noch am Abend zu seiner Tochter ins Krankenhaus eilte, wo sie dann eine achtstündige Operation über sich ergehen lassen musste. Eigentlich hätte die Frau an diesem Tag mit Arbeitskolleginnen einen schönen Abend auf der Kirmes verbringen wollen – sie stand eine Woche vor dem Abschluss ihrer Lehre. Dutzende Male musste sie nach dem Unfall operiert werden. Noch immer trägt sie Metallplatten im Kopf – es wird wohl für immer so bleiben. „Wenn die mal einen Unfall hat...“, daran mag der Vater gar nicht denken. Vor allem die Kosten für Zahnimplantate setzen der Familie zu: „Meine Tochter ist weiter gezwungen, zu den Ärzten zu gehen.“ Auch seelisch und psychisch habe seine Tochter an dem Unfall lange gelitten.
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25.000 Euro hat die 22-Jährige bereits von der Versicherung des aus Duisburg stammenden Schaustellers erhalten. Außerdem muss der für einen Zeitraum von vier Jahren monatlich jeweils 400 Euro zahlen, so hat es das Oberhausener Amtsgericht beim Strafprozess im vergangenen September festgelegt. Dass sich das Zivilverfahren nun schon so lange zieht, versteht der Vater des Opfers nicht: „Die Schuldfrage ist doch geklärt. Die spielen auf Zeit.“
Update: Mehr als fünf Jahre nach dem Unfall sind die beiden Zivilverfahren der Frauen aus Essen und Oberhausen abgeschlossen. Die beiden Betroffenen schlossen im November 2019 beziehungsweise Juli 2020 Vergleiche mit der Betreiberfirma des Fahrgeschäfts. Die Beklagten zahlen nach Angaben eines Sprechers des Duisburger Landgerichts jeweils rund 70.000 Euro. In den Vergleichen enthalten ist demnach auch ein sogenannter "Freisteller", der die Versicherung verpflichtet, auch für derzeit noch nicht absehbare künftige medizinische Behandlungen aufzukommen. Die Frage, wie der Fall der Frau aus Heiden ausgegangen ist, vermochte das Landgericht nicht zu beantworten.