Oberhausen. . In der Arena wirbt der türkische Ministerpräsident für umstrittene Reformen von Präsident Erdogan. Einige hundert Menschen demonstrieren dagegen.
Mehr als 10.000 Befürworter der türkischen Regierung haben sich zu einem Auftritt von Ministerpräsidenten Binali Yildirim versammelt, der gegen 13.30 Uhr in der König-Pilsener-Arena am Centro eintraf. Einige hundert Demonstranten hatten vor der Halle gegen das Erdogan-Regime demonstriert. Die Polizei sicherte die ganze Aktion mit einem Großaufgebot - und sorgte damit dafür, dass Erdogan-Gegner und -Fans nicht aufeinandertrafen. Die Stimmung blieb gespannt - aber weitgehend friedlich.
Die einstündige Rede Yildirims war mit viel Applaus von den Anhängern honoriert worden. Obwohl noch weitere Gastredner in der Arena auftreten, hat offenbar ein Großteil der Menschen die Halle unmittelbar nach der Rede des türkischen Ministerpräsidenten verlassen. Die Menschen waren offenkundig nur für seinen Auftritt angereist.
Auch die Gegendemo kam bereits früh zu einem Ende. Sie löste sich gegen 14.30 Uhr auf - während Yildirim in der Halle noch redete. Es war mit mehr Gegendemonstranten gerechnet worden, allerdings hatte sich der Protestzug vom Oberhausener Hauptbahnhof aus mit nur etwa 300 Leuten in Bewegung gesetzt. Es gab laut Augenzeugen keinerlei größere Zwischenfälle.
Werbung für eine Verfassungsänderung
Der türkische Ministerpräsident wirbt für umstrittene Reformen seines Präsidenten Erdogan. Konkret geht es um ein Referendum zur Verfassungsänderung. Diese, kurz gesagt, soll die Rechte des Parlaments empfindlich einschränken - und Erdogans Macht erheblich erweitern. Die Türkei ist also auf dem Weg zum Präsidialsystem - einem, das vom Volk quasi abgesegnet wird, per Volksabstimmung. Wenn Erdogans Kalkül denn aufgeht. Umfragen sehen derzeit Befürworter und Gegner der Verfassungsänderung gleichauf.
Abstimmen dürfen auch Menschen mit türkischem Pass, die im Ausland leben - in Deutschland sind etwa 1,4 Millionen Menschen wahlberechtigt. Um diese Gruppe geht's bei der Veranstaltung am Centro. Sie will Yildirim auf Erdogans Weg einschwören.
Proteste im Vorfeld
Der Auftritt hatte im Vorfeld für erhebliche Proteste gesorgt, unter Politikern wie Normalbürgern. FDP-Chef Christian Lindner hatte sich gar für ein Verbot ausgesprochen - durchaus ungewöhnlich für einen liberalen Politiker. NRW-Innenminster Ralf Jäger äußerte gegenüber der Deutschen Presseagentur am Freitagmittag, die "internen Konflikte in der Türkei" dürften nicht "mit Gewalt auf unseren Straßen ausgetragen" werden.
Er erwarte, "dass alle in unserem Land unsere demokratischen Werte respektieren und die politische Vielfalt und Meinungsfreiheit achten. Auch wenn diese Meinung schwer zu ertragen ist." Eine rechtliche Handhabe gegen den Auftritt gibt es nicht. Es handele sich um eine "nicht öffentliche, private Veranstaltung", betonte die Oberhausener Polizei: Es gebe "keinerlei Rechtsgrundlage, darauf Einfluss zu nehmen", erläuterte ein Sprecher.
Auftritt überschattet durch Festnahme von Journalisten in der Türkei
Überschattet wurde der Auftritt Yildirims in Deutschland von der Festnahme des Korrespondenten der "Welt", Deniz Yücel, durch die türkische Polizei. Deutsche Politiker forderten die Freilassung Yücels. "Herr Yildirim wäre gut beraten, auch aus Deutschland heraus für Klarheit und die Freilassung des Journalisten zu sorgen", sagte der SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich.
Nach Angaben der Redaktion die "Welt" stellte sich Yücel am Dienstag der Polizei in Istanbul. Seither befindet er sich in den Händen der türkischen Behörden. Seinen Anwälten sei gesagt worden, dass gegen ihn wegen Mitgliedschaft in einer Terrororganisation, wegen Terrorpropaganda und Datenmissbrauchs ermittelt werde. Seit dem Putschversuch in der Türkei im Juli 2016 lässt Erdogan rigoros gegen Oppositionelle und Medien vorgehen.
"Das Notstandsdekret erlaubt Erdogan nicht nur kritische türkische Journalisten zu inhaftieren, sondern nun auch Druck auf ausländische Journalisten auszuüben", kritisierte der Grünen-Chef Cem Özdemir. Yücel besitzt die deutsche und die türkische Staatsbürgerschaft. Für die Türkei ist er damit kein ausländischer Journalist.. "Ich finde es geradezu skurril, dass der türkische Ministerpräsident keinerlei Skrupel hat, von unserer Demokratie zu profitieren, während er und seine Schergen im eigenem Land Oppositionelle hinter Gitter bringen", sagte Özdemir
Die Oberhausener Polizei betonte, bei der Rede Yildirims handele sich um eine "nicht öffentliche, private Veranstaltung", auf die nicht Einfluss genommen werden könne. (ger/dpa)