Oberhausen. . Möglicherweise ist ein Terroranschlag auf das Centro in Oberhausen verhindert worden. Polizei informierte bei Facebook und Twitter.

  • Tatverdächtige Brüder (28 und 31 Jahre alt) bleiben bis Heiligabend im Polizeigewahrsam
  • Polizei zeigt am letzten Weihnachtsmarkt-Tag am Einkaufszentrum starke Präsenz
  • Oberbürgermeister: „Die Polizei hat darum gebeten, sich nicht an Spekulationen zu beteiligen."

Nach den Verhaftungen in Duisburg von zwei im Kosovo geborenen, 28 und 31 Jahre alten Brüdern, die möglicherweise einen Anschlag auf das Oberhausener Centro geplant haben, wurden die beiden Verdächtigen am Freitag von der Polizei in Essen verhört.

Seit der Festnahme ermittelt der Staatsschutz der Essener Polizei. Die beiden Verdächtigen bleiben auf richterlichen Beschluss zunächst bis Samstag in polizeilichem Gewahrsam. Derzeit werde nach Angaben eines Essener Polizeisprechers mit Hochdruck ermittelt, wie weit die möglichen Vorbereitungen fortgeschritten waren und ob weitere Personen beteiligt sind. Die Polizei geht nach ersten Ermittlungen nicht davon aus, dass ein Anschlag unmittelbar geplant war. Auch wird keine Verbindung zu dem mutmaßlichen Berliner Attentäter Anis Amri gesehen, der in den Morgenstunden nahe Mailand bei einem Schusswechsel mit italienischen Polizisten getötet wurde.

Centro hat wieder geöffnet

Das Centro hat am Freitag wieder wieder regulär geöffnet. Auch der Weihnachtsmarkt öffnet wieder wie gewohnt. Er endet am Freitagabend um 20 Uhr – wie jedes Jahr am 23. Dezember. Die Polizei kündigte an, weiter starke Präsenz zu zeigen. Mannschaftswagen rückten am Vormittag an.

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Am Donnerstagabend hatten Besucher ein starkes Polizeiaufgebot in dem Einkaufszentrum beobachtet. Die Beamten waren massiv mit Schutzwesten und schweren Maschinengewehren auf dem Weihnachtsmarkt und im Einkaufszentrum unterwegs gewesen. Sowohl Polizisten in Zivil und in Uniform kontrollierten in kleinen Gruppen Ausweise von Centro-Besuchern. Der Weihnachtsmarkt sei am Abend recht gut gefüllt gewesen, sagte der Essener Polizeisprecher, der gegen 20.30 Uhr selbst vor Ort war.

Polizei wollte keine Panik schüren

Um keine Panik bei den Besuchern zu schüren, seien Weihnachtsmarkt und Centro nicht geräumt worden. Zeitgleich sei die Polizei in Duisburg aktiv geworden. Die beiden Tatverdächtigen waren am Donnerstagabend nicht in Oberhausen, sondern in Duisburg. Dort wurden sie dann in der Nacht zum Freitag festgenommen.

Der Weihnachtsmarkt im Centro an einem gewöhnlichen Tag.
Der Weihnachtsmarkt im Centro an einem gewöhnlichen Tag. © Hendrik Steimann

Am Freitag nahm auch Oberhausens Oberbürgermeister Daniel Schranz (CDU) Stellung: „Die Polizei hat darum gebeten, sich nicht an Spekulationen zu beteiligen. Auch wir als Stadtverwaltung sehen daher den weiteren Ermittlungsergebnissen entgegen. Unabhängig davon spüren wir aber, dass der Terrorismus keine abstrakte Gefahr ist, die immer nur anderen droht. Wir alle sind betroffen, deswegen müssen wir auch alle wachsam sein, ohne dabei in Panik zu verfallen oder das Leben in unserer offenen Gesellschaft in Frage zu stellen. Gut und richtig sind in jedem Fall die zusätzlich ergriffenen Sicherheitsmaßnahmen.“

„Auch die Zusammenarbeit zwischen den Ordnungskräften, konkret Polizei und Feuerwehr, hat funktioniert“, ergänzt Ordnungsdezernent Frank Motschull. „Die Oberhausener Feuerwehr und die informierten Nachbarwehren, wären in der Lage gewesen, schnell und umfassend einzugreifen.“

So informierte die Polizei über den Großeinsatz bei Twitter und Facebook

Als der Großeinsatz der Polizei am Donnerstag gegen 18 Uhr beginnt, handelt die aktuellste Meldung auf der Facebook-Seite des Oberhausener Präsidiums noch von einem Raub an der Parkstraße in Sterkrade. Noch für mehrere Stunden wird dieser Post dort oben stehen, bis es in der Nacht Neues gibt: „Beteiligen Sie sich nicht an Spekulationen zum Einsatz am CentrO! Das Einkaufszentrum und der Weihnachtsmarkt sind, wie jeden Tag, seit 22:00 Uhr geschlossen. Ein Großteil unserer Kräfte hat den Bereich verlassen.“ Es ist die Auflösung des Einsatzes, der die Menschen in Oberhausen an diesem Abend aufgewühlt hat.

Wer wissen wollte, was sich am Donnerstag im Centro abspielte, tat gut daran, den Twitter-Account der Oberhausener Polizei zu verfolgen. Gegen 20 Uhr kam der erste Tweet zum Thema: „Die #Polizei #Oberhausen hat im #CentrO einen Einsatz zu Ihrer Sicherheit. Wir berichten weiter unter #PolizeiOB.“ Im Stundentakt folgten weitere Informationen. Und die Beamten nutzten den Kanal auch, um Gerüchten entgegen zu treten: „Beteiligen sie sich nicht an Spekulationen! Warten Sie bitte weitere Infos unter #PolizeiOB ab. Das #CentrO wird nicht geräumt“.

"Anschlag auf Centro vereitelt? Zwei Brüder tatverdächtig!"

Gegen 2 Uhr morgens am Freitag folgte die Erklärung - parallel auf den Twitter- und Facebook-Seiten: „Anschlag auf #CentrO vereitelt? Zwei Brüder tatverdächtig!“

Dass die Essener Polizei, die wegen der besonderen Lage an diesem Abend die Öffentlichkeitsarbeit für die Oberhausener Kollegen übernommen hat, vor allem via Twitter berichtet hat, erklärt deren Sprecher Thomas Hemmelmann mit personellen Kapazitäten: „Wir mussten uns auf einen Dienst konzentrieren.“ Gerade zwei Meldungen erschienen am Abend zeitgleich bei Twitter und Facebook. Grundsätzlich würde die Bespielung sozialer Kanäle in solchen Fällen aber immer wichtiger, erklärt Hemmelmann: „Mit einem Post können Sie unglaublich viele Menschen erreichen.“ Auch nutzten die Beamten diesen Weg, um im Netz kursierenden Gerüchten gesicherte Informationen gegenüber zu stellen - wie der Behauptung einiger Nutzer am Abend, der Weihnachtsmarkt sei geräumt worden. Vorwürfe von Nutzern über die sozialen Kanäle, die Polizei hätte nicht genügend Informationen verbreitet, widerspricht Hemmelmann: „Wir können auch nicht alles erzählen, möglicherweise lesen auch Verdächtige oder Täter mit.“ Auf der Facebook-Seite der Oberhausener Polizei gibt es deshalb neben Kritik auch viel Lob für die Informationspolitik der Beamten.

Um 1.30 Uhr in der Nacht verschickt die Polizei dann eine Bilanz der Nacht - herkömmlich per Mail an die Redaktionen dieses Landes: „Freitagmorgen (23. Dezember, gegen 00.45 Uhr) nahmen Spezialeinheiten in Duisburg zwei verdächtige Männer in Gewahrsam. Die 28- und 31-jährigen im Kosovo geborenen Brüder stehen im Verdacht, möglicherweise einen Anschlag auf das Centro in Oberhausen vorbereitet zu haben.“ Auch auf diesem Weg hätte eine Erstmeldung erfolgen können. „Das ist versäumt worden“, räumt Hemmelmann ein, „früher hätten wir das sicher so gemacht.“ Für das Netz ist das inzwischen zu langsam.

Am Freitag lassen sich die Kunden in der Neuen Mitte nicht vom Shoppen abhalten

In aller Ruhe schlendern die jungen Mütter Nicole Stein und Sabrina Lenz mit ihren Kinderwagen über die Promenade am Centro-Weihnachtsmarkt. Der ist am Freitag erstaunlich leer. Es ist der Tag nach dem Großeinsatz der Polizei. Innerhalb des Einkaufszentrums dagegen herrscht der übliche Betrieb ohne besorgte Händler und Käufer. Zivilpolizisten halten die Lage weiter im Blick.

Augenzeugen, die Donnerstagabend am Centro unterwegs waren, berichten zwar von einer starken Polizeipräsenz, aber von einer ansonsten überwiegend ruhigen Gesamtsituation. Ulrich Real, Bezirksbürgermeister von Sterkrade, war mit seiner Frau auf dem Weihnachtsmarkt. „Die Polizisten zeigten keinerlei Zeichen von Anspannung oder Hektik“, schildert er.

Polizisten sind nicht angespannt

Das erzählt auch Johannes Thiel, der für den Bezahlsender Sky im Inneren des Centros als Promoter arbeitet. „Ich habe mich trotzdem gefragt, was hier gerade passiert, als die Polizisten aufliefen“, gibt er zu. Bekannte, die ihn am Stand besuchten, fuhren nach Hause, weil ihnen die Situation unangenehm war. Der Aboverkäufer selbst wähnte sich in Sicherheit, als die Polizisten in Fünfergruppen erst durch die Einkaufspassage liefen und sich später in den Gängen postierten. „Heute morgen habe ich trotzdem einmal geschaut, ob alles am Stand in Ordnung ist“, sagt er.

Die Kunden seien dagegen gelassen mit der Situation umgegangen, erzählen verschiedene Verkäufer. Manche wunderten sich, als die bewaffneten Einsatzkräfte gegen 18 Uhr durch die Türen kamen. „Es war unklar, ob was passiert ist“, berichtet Sebastian Brüntgens, der mit einer Freundin einkaufen war. „Sie wollte eigentlich ein Geschenk besorgen, hat dann aber davon abgesehen“, sagt der Augenzeuge. Eine junge Verkäuferin sei zudem in Tränen ausgebrochen. Sebastian Brüntgens hat immer noch ein komisches Gefühl, wenn er an den Abend und die letzten drei Tage zurückdenkt.

Weihnachtsstimmung auf dem Markt bricht ein

Am Freitag gingen aus demselben Grund nur wenige ein letztes Mal über den Centro-Weihnachtsmarkt. „Einige Stammkunden haben mich angerufen und sich abgemeldet, weil sie Bedenken haben. Es sind überwiegend ältere Leute“, sagt Hüttenbetreiber Andreas Pföstl, der Holzschnitzereien aus Südtirol verkauft. Er hätte sich von dem Eintreffen der Essener Hundertschaft am Donnerstag nicht beunruhigen lassen. „Ich hatte Kunden, habe sie weiter bedient. Ich lasse mich nicht einschüchtern“, betont er. Doch die Stimmung sei eingebrochen, bestätigt auch er.

Händlerin Rosi Rosen haben die vergangenen Tage mitgenommen. „Ich kann das Thema nicht mehr hören. Ich bin froh, dass der Weihnachtsmarkt vorbei ist.“ Kevin Klaes von der Röstbraterei Meuter hat immer noch gemischte Gefühle. „Es war komisch, als die Traube an Polizisten hier vorbeikam, und das alle paar Minuten. Jetzt gleicht der Weihnachtsmarkt am letzten Tag fast einer Geisterstadt. Gott sei Dank, es ist nichts passiert.“

Dadurch, dass am Donnerstagabend wirklich nichts Tragisches geschehen ist, bleiben im Centro die Besucherströme auch nicht aus. Die Stimmung auf Weihnachten wollen sich viele dann doch nicht vermiesen lassen. „Man macht sich schon Gedanken, weil das Centro natürlich als Ziel von Terroristen infrage kommt. Aber man darf sich auch nicht verrückt machen, und ich denke, wir müssen uns alle an das Bild mit bewaffneten Polizisten in der Öffentlichkeit gewöhnen“, fasst Verkäufer Moritz Wilmsmann aus dem Games Workshop zusammen.

Die Hundertschaft bewachte gestern den Außenbereich des Centros. Fragen zum Einsatz wurden ihnen nicht gestellt, ihnen aber gedankt und ein frohes Fest gewünscht. Auch von einigen Familien mit Kindern, die das Centro am ersten Ferientag entspannt besuchten.