Oberhausen. Ein Urgestein der Oberhausener Sozialbranche geht in den Ruhestand: Günther Stolz sorgte mit seinen Ideen in den 90er Jahren bundesweit für Furore.
- Günther Stolz, Architekt und Pädagoge, entwarf wegweisende Konzepte für Jugendliche
- Er ist noch bis November Chef des Gerhard-Tersteegen-Instituts in Alt-Oberhausen
- In der Zinkhütte sollen sich obdachlose Jugendliche wohl fühlen – wie auf der Straße
Das bunte Büro steht immer offen und jeder, der vorbeikommt, scheint das zu wissen. „Darf ich kurz stören?“, fragt eine Frau durch die offene Tür. Günther Stolz sitzt lässig in seinem Stuhl. Keine Spur von Hektik, ruhig und gelassen sagt er: „Kommen Sie doch herein.“
Stolz ist seit 32 Jahren Geschäftsführer des GTI – des Gerhard-Tersteegen-Institut für Kinder-, Jugend- und Familienhilfe in der Hermann-Albertz-Straße in Alt-Oberhausen. Das Institut ist vielen Oberhausern unbekannt, dabei gehört es zu den großen Sozialdiensten der Region, die schwierige Erziehungsaufgaben bewältigen.
Zu Gast in diversen Talkshows
Bundesweite Aufmerksamkeit erregte vor rund 17 Jahren das Jugendschutzhaus an der Zinkhüttenstraße in Mülheim. Stolz war in den 1990er Jahren deshalb zu Gast in diversen Talkshows wie Hans Meiser, ein Spiegel-Artikel mit dem Namen „Letzte Chance“ erschien. Denn er war der Erste in Deutschland, der gelungene Architektur mit einem aufwendigen Sozialprojekt verband – obdachlose Jugendliche sollen sich in der Zinkhütte fast wie auf der Straße fühlen und deshalb bleiben. Das Konzept funktioniert noch heute. Später wurde oft versucht, es zu kopieren – mit mäßigem Erfolg: „Die Projekte an anderen Standorten, zum Beispiel in Berlin, waren zu halbherzig.“
Die Kosten waren, wie so oft, das Problem und das ärgert Stolz noch heute: „Junge Menschen sind kein Abfall.“ Lieber mal einen Euro mehr investieren und an die Zukunft denken, das ist sein Motto.
Weitsicht, das passt zu diesem Mann: Er ist der Typ, der anpackt, aber auch weiß, wo anzupacken ist. Günther Stolz ist 65 Jahre alt und ein kräftiger Kerl: 1,90 Meter groß und mit Händen wie Schaufelbagger, dazu adrett gekleidet; mit weißen Schuhen, weißem Hemd und einer Hose mit Bügelfalte. Die grauen Haare sind am Hinterkopf lockig und lang, ein bisschen verwegen sieht er dadurch aus – trotz schmaler Brille.
Martin Scheller übernimmt
Nach 32 Jahren ist für ihn im November Schluss als „Chef“. Er lässt jemand anderen ans Steuer seines GTI. Die Einrichtung hat er selbst 1997 von GTH in GTI umbenannt – auch wegen seiner Autoleidenschaft: „Weil’s geil ist.“ Der GTI war und ist schließlich das schnellste Golf-Modell von VW. Kinder betreue er bald nur noch privat: „Meine Enkel sind dann mein neues Hobby“, lacht Stolz.
Günther Stolz ist nicht nur Pädagoge und kümmert sich um Straßenkinder, er hat auch einen Kfz-Gesellenbrief. In seiner Garage steht „ein lackierter Schatz neben dem anderen“. Das Schrauben sei ihm wichtig, besonders Oldtimer gefallen ihm: „Bei den neuen Autos kann man kaum etwas selber machen. Bei meinen muss ich nur den Motor hören und ich weiß, wenn was nicht stimmt.“
Eine andere große Leidenschaft ist Architektur. Für das GTI gestaltete er Gebäude und Inneneinrichtungen, die Zinkhütte in Oberhausen zum Beispiel. Den „Ruhestand“ nimmt ihm also niemand so richtig ab – selbst seine eigene Frau nicht: „Sie sagt, ich schaffe kein halbes Jahr in der Hängematte, trotzdem probiere ich es.“
Seinen alten Job als Geschäftsführer des GTI übernimmt sein jetziger Stellvertreter Martin Scheller. Und er sei sehr froh, dass jemand da ist, der diesen Job in Zukunft ebenfalls mit Herz macht, sagt Günther Stolz und betont: „Auch wenn ich weiß, dass der Führungsstil von zwei Personen so unterschiedlich sein kann, wie die Zugspitze zur Nordsee – mein Nachfolger ist ein guter Nachfolger.“