Stadtmitte. Die „Beamten“ in der Siedlung Grafenbusch waren Ingenieure der GHH. Heute sind manche der stattlichen Häuser aufgeteilt in Eigentumswohnungen.

Von der Konrad-Adenauer-Allee aus sieht man sie nicht, die Siedlung Grafenbusch, die frühere „Beamtenkolonie“ der Gutehoffnungshütte. Hinter Buschwerk und Bäumen verbirgt sich ein Ensemble stattlicher Villen und großzügiger Doppelhäuser. Wer hier vor rund hundert Jahren einzog, gehörte zu den feineren Kreisen Oberhausens. Auch wer heute hier wohnt, kann sich gut helfen.

Wegen ihrer siedlungsgeschichtlich bedeutenden Lage wurde 1985 gleich die gesamte Siedlung mit 21 Häusern unter Denkmalschutz gestellt.

„Beamte“ hießen früher auch die leitenden Angestellten in der Industrie

„Beamten“, so hießen früher auch die leitenden Angestellten der Industrie. Um die Ingenieure bei Störfällen schnell vor Ort zu haben, beschloss der GHH-Aufsichtsrat im Februar 1907, seine Führungskräfte dort zu sammeln. Zwei Jahre später stimmte er dem Entwurf des Berliner Architekten Bruno Möhring zu. Der Erste Weltkrieg verzögerte die Fertigstellung der Siedlung bis 1923. Die eindrucksvollen Villen im Westen, nahe dem Kaisergarten, waren aber schon 1914 fertig. In den Nachkriegsjahren folgten dann noch Reihen- und Doppelhäuser.

Wer die Siedlung, vom Rhein-Herne-Kanal kommend, zu Fuß betritt, wird von einer großen Parkanlage empfangen. Sie sorgt für die nötige Abschirmung zur Hauptstraße. Kombinationen mehrerer Dachformen, etwa eines Mansarddachs mit quer aufgesetztem Giebeldach, überbaute Hauseingänge, separate Eingänge für das Personal, eine freie Lage auf riesigen Grundstücken, das sind Kennzeichen der Villen mit ihren je rund 300 Quadratmetern Wohnfläche.

Rangunterschiede entlang des Bahndamms

Auf Rangunterschiede deuten dagegen die Reihen- und Doppelhäuser entlang des Bahndamms hin. Auch sie lassen es an Wohnfläche mit rund 150 Quadratmetern nicht mangeln, sind aber vergleichsweise uniform. Dabei trübt nicht der Verkehrslärm von der Hauptstraße den Gesamteindruck, sondern die Bahngeräusche.

Weil derart große Gebäude nicht leicht zu veräußern sind, entstanden vielfach Eigentumswohnungen. So eine Wohnung hat Israel Giese mit Frau und Kindern bezogen, im Erdgeschoss der „Reusch-Villa“, wie er sagt. Damals hätte entweder Paul Reusch, GHH-Generaldirektor von 1909 bis 1942, hier gewohnt oder sein Sohn Hermann, der von 1947 bis 1966 an der Spitze des Konzerns stand.

Mit hohen Decken und altem Parkett

„Wir haben so etwas gesucht“, erzählt der 43-jährige Giese. 170 Quadratmeter hat seine Eigentumswohnung im Erdgeschoss. „Einen typischen Altbau mit hohen Decken und altem Parkett findet man ja nicht häufig.“ Gut, die Geräuschkulisse außen sei vorhanden. „Aber dafür hat man ein schönes Häuschen in einer schönen Siedlung.“ Hohe Platanen machen auf dem 2500 Quadratmeter großen Grundstück im Herbst Arbeit. „Mit den Kindern macht das aber Spaß.“ Zu tun gebe es bei einem Altbau immer etwas. Dabei habe er mit der Denkmalbehörde stets einen gangbaren Weg gefunden.

Auch für den Nachbarn Stefan Schumacher ging mit dem Kauf seiner Villa 2015 ein Traum in Erfüllung. „Ich habe mir immer eine alte Stadtvilla gewünscht“, sagt der Vermögensverwalter. Dann erhielt er bei einer Zwangsversteigerung den Zuschlag. „Der Kaufpreis war zwar ein Schnäppchen, der anschließende Umbau aber nicht“, erzählt er weiter. „Wir haben fast ein Jahr kernsaniert.“

Hervorragende Bausubstanz

Drei Etagen hat das Haus, jede mit 100 Quadratmetern. Schumacher hat hier auch sein Büro. Schritt für Schritt soll weiter saniert werden, um Heizkosten zu senken. Auch der riesige Garten harrt noch der Aufarbeitung. Das Haus sei eine gute Kapitalanlage mit hervorragender Bausubstanz. Breite Innentreppen, große Deckenleuchter, ein über 30 Quadratmeter großes Wohnzimmer mit einem Erker, der sich wie ein Wintergarten nutzten lässt. Der 38-Jährige: „Ich möchte nirgendwo anders mehr wohnen.“