Oberhausen. Zur Wasserversorgung baute die Gutehoffnungshütte 1897 einen Wasserturm. Seit 1979 ist er in Privatbesitz. Vater und Tochter erzählen vom Leben im Turm
Von der Autobahn aus ist natürlich der Gasometer das Wahrzeichen Oberhausens. Aber wer über die Konrad-Adenauer-Allee Richtung Stadtmitte fährt, für den ist er unübersehbar: der ehemalige Wasserturm der Gutehoffnungshütte. Postalisch-nüchtern handelt es sich um das Gebäude Mülheimer Straße 1. Aber kein Gemäuer in Alt-Oberhausen ist wohl markanter als dieses. Drum steht es seit 1985 ja auch unter Denkmalschutz.
Wenn der Vermessungsingenieur Dieter Michel 1979 nicht das Wagnis eingegangen wäre, Thyssen anzubieten, diesen Turm abzukaufen, stünde er wahrscheinlich gar nicht mehr. Seit 1965 hatte der Konzern keine Verwendung mehr dafür. Aber Michel war damals auf der Suche nach größeren Büroräumen für seine 20 Mitarbeiter. Seine Frau erwarb das Monstrum mitsamt 1000 Quadratmetern Grundstück zu einem „mehr als symbolischen Preis“, wie er betont, und ließ die unteren drei Etagen, jede mit 50 Quadratmetern Nutzfläche, zu Büroräumen umbauen. Im vierten Stockwerk entstand auf anderthalb Etagen eine rund 80 Quadratmeter große Wohnung. Sie wird bis heute von einem Mitarbeiter bewohnt.
Unten herum pflegeleicht
Beiderseits rahmen Backsteinmauern mit Eisengittern den 60 Meter hohen Rundling ein. Links vom Turm befindet sich ein neuerer Garagenhof. Auf der rechten Seite liegt ein gepflegter Vorgarten. Will man als Passant dem Turm etwas näherkommen, muss man die Stufen hinauf zur Fußgängerbrücke nehmen, die hier über die Mülheimer Straße hinweg zwei Grünzüge miteinander verbindet.
„Unten herum ist der Turm relativ pflegeleicht. Das Problem ist oben der Kessel“, sagt Dieter Michel. Ursprünglich war der stählerne Behälter mit seinem Fassungsvermögen von einer Million Litern Wasser mal verputzt. Nach dem Zweiten Weltkrieg entfernte man den Putz. Michel einigte sich mit Thyssen darauf, dass das Unternehmen den Turm als Werbeträger benutzt - und im Gegenzug den Stahlkessel unterhält. Später übernahm die Mülheimer Wasserwerksgesellschaft RWW diese Verpflichtung. „Sie haben ihn erst im Herbst 2015 neu anstreichen lassen“, berichtet der Turmherr. Wenn die mächtige Säule bei Dunkelheit von Scheinwerfern angestrahlt wird, wird sie erst recht zum Blickfang. Dieter Michels größte Sorge ist es, eines Tages, sollte das erforderlich werden, einen neuen Werbepartner für den Unterhalt des Stahlkessels zu finden. Schließlich, betont er, müsse das mit den Vorstellungen der Denkmalschützer in Einklang gebracht werden.
„Dank Doppelverglasung bekommt man vom Verkehr auf der Mülheimer Straße fast nichts mit“, beschreibt Michels Tochter Christiane das Arbeiten in einem ehemaligen Wasserturm. Sie ist seit zehn Jahren Geschäftspartnerin ihres Vaters. „Wenn ich aus dem Fenster schaue, blicke ich ins Grüne“, sagt sie. Große Hitze, ergänzt ihr Vater, sei auch erst nach etwa fünf Tagen ein Thema. So schnell heize sich das Mauerwerk nicht auf. Entsprechend lange dauere es aber auch, bis das Gemäuer die Hitze wieder abgegeben habe. Die Heizkosten beziffert der Vermessungsingenieur als mit einem ähnlich alten freistehenden Haus vergleichbar. Ein Niedrigenergiehaus sei es nicht gerade.
Theoretisch könnten auch die oberen Etagen bewohnt werden. Aber dann müssten die für Hochhäuser entwickelten Sicherheitsvorschriften erfüllt werden. Ein zweiter Rettungsweg müsste wohl gebaut, die obere hölzerne Treppe ausgetauscht werden. „Das ist absolut unrentabel“, sagt Michel. Deshalb blieben diese Stockwerke eben ungenutzt.
Wenn oben nicht gerade Bauarbeiten stattfinden, steigt Dieter Michel etwa einmal im Monat auf seinen Turm. Das sind immerhin 203 Stufen. Um ihren Kreislauf so in Schwung zu bringen, suchen andere Leute ein Fitnessstudio auf.
Für 1000 Tonnen Wasser
Auf drei Meter dicken Kellerwänden ruht der Wasserturm an der Mülheimer Straße. Während sein Innendurchmesser nach oben hin gleich bleibt, nimmt die Wandstärke ab. „Unterhalb des Kessels sind es noch 80 Zentimeter“, sagt Dieter Michel. Das genügte offenbar, um das Gewicht von bis zu 1000 Tonnen Wasser zu tragen.
Die Konstruktion stammt von dem namhaften Wasserbauingenieur Prof. Otto Intze. „Sie verteilt die Last ziemlich gleichmäßig“, erklärt Michel.