Oberhausen. „Mit“ heißt der Kitev-Kongress, der soziale Wohnprojekte einfordert. Internationales Podium sprach übers Geld und schwer erreichbare „Mit“-Macher.
- Es gilt, Leerstände und „stigmatisierte Gebäude“ in vernachlässigten Vierteln zu beleben
- Drei Tage debattieren Gäste aus Osteuropa und aus Middlesbrough das Thema
- Im slowenischen Ajdovščina weiß man gewitzt, fürs Städtchen EU-Fonds zu erschließen
Baustellen-Flair bestimmt das Parterre des Bahnhofsturms. Doch eine gläserne Kabine für die Simultan-Übersetzerinnen haben die Gastgeber von Kitev (Kultur im Turm e.V.) eigens eingerichtet. Schließlich hat dieser dreitägige Kongress ein europäisches Publikum, eingeschlossen Gäste aus der englischen Partnerstadt Middlesbrough.
„Mit“ / „With“ heißt schlicht das internationale Forum, angekündigt als „Workshops, Konzerte und gutes Essen in einer co-kreativen Gesellschaft“. Für das gute Essen sorgt die gerade noch rechtzeitig fertig geschmiedete „Refugees’ Kitchen“. Für den Einstieg in ein komplexes Thema versammelte man im Turm ein Fach-Podium auf herrschaftlich wirkenden Plüschsesseln unter nostalgischer Stehlampe. Denn das programmatische „Mit“ meint – so die Einladung – „Wohnprojekte für sozial schwache Bevölkerungsgruppen“.
„Sozial schwach?“ Nein, arm
Protest. Energisch verwahrte sich Frauke Burgdorff gegen die beiden Worte „sozial schwach“. Die Repräsentantin der Kölner Montag Stiftung Urbane Räume: „Das sind Menschen, die kein Geld haben.“ Punkt. Sie verwies auf den Widerspruch der sich auch in der Teilnehmerschaft des Kitev-Kongresses spiegelte: „Die meisten selbst organisierten Projekte entstehen aus der bürgerlichen Mitte.“ Es braucht Qualifikationen, sich durch Förderanträge zu kämpfen.
Ein eindrückliches Beispiel lieferte Ana Furlan aus der slowenischen Kleinstadt Ajdovščina: Im Rathaus des knapp 20 000 Einwohner zählenden Städtchens habe man vor fünf Jahren mit einer Mitarbeiterinnen begonnen, sich um EU-Mittel zu bemühen. „Es zählt sich aus: Heute arbeiten vier Leute Vollzeit daran.“ Das Team erhält seine Arbeitsplätze, so Ana Furlan, indem es neue Projekte möglich mache.
Im mehr als zehnfach größeren Oberhausen gelingt das nicht. Andrea Baudek, die Bereichsleiterin Stadtplanung, klang fast resigniert: „Es gibt eine so breite Förderlandschaft, dass es schwierig ist, den Überblick zu behalten.“
Geht es Oberhausen noch zu gut?
Aus Sicht von Kitev-Kopf Christoph Stark ist der Turm-Verein bereits in manchen Förder-Verfahren „Ghostwriter“ für die Stadt: „Wir stecken seit fast zehn Jahren gerne unsere Energie in die Stadt“. Stark fragte aber auch provokant: „Geht es Oberhausen noch zu gut, dass es sich nicht beteiligt?“
Auch die Referatsleiterin im Landes-Bauministerium verwies auf die Verantwortung der Stadt, Programme auszuweisen. Carola Scholz: „Weder Stadt noch Land noch Wirtschaft allein sind in der Lage, Stadtentwicklung zu gestalten.“ An bisher 90 Quartiers-Projekten beteiligte sich NRW über den Fonds „Initiative ergreifen“ – auch am Bahnhofsturm.
„Berührungsängste werden geringer – als Stiftung sind wir niederschwelliger.“ Stephan Muschick war als Geschäftsführer der RWE-Stiftung eingeladen, die seit 1. 9. als Innogy-Stiftung firmiert. Eine Förderin der Energiewende auf diesem Forum für soziales (Um)Bauen? Diese Wende sei noch nicht „sozial ausgeglichen.“ Muschicks rhetorische Frage: „Wer modernisiert oder stellt sich einen Tesla vor die Tür?“ Nicht die von seiner Stiftungs-Kollegin Burgdorff angesprochenen „Menschen, die kein Geld haben“.