Oberhausen. Wolfgang Heitzer hat den Jugendaustausch Multi über Jahrzehnte geprägt. Nun freut er sich auf neue Laufwege. Die Teamarbeit führt Miriam Römer weiter.
- Wolfgang Heitzer leitete über Jahrzehnte den internationalen Jugendaustausch
- In der Altersteilzeit hat er nun mehr Zeit für seinen Australien-Shepherd-Welpen „Finny“
- Seine Nachfolgerin Miriam Römer sammelte bereits im Jugendamt Arbeitserfahrung
Seine Kladde hat er immer dabei. Dieses markante Sammelsurium legt Wolfgang Heitzer auch in diesem Jahr auf Tische, Stühle — meistens aber klemmt das Papierwerk unter seinem Arm. Dabei geht es in diesem Jahr deutlich weniger auf die Reise durch Konferenzräume als sonst. Der 60-Jährige aus dem Rathaus-Büro für Interkultur hat nach aufregenden Dienstjahren seine Altersteilzeit angetreten und den Staffelstab des Jugendaustausches Multi an die 36-jährige Miriam Römer weitergegeben.
Abschied. So richtig nimmt er dieses Wort aber nicht in den Mund. Vor Jahrzehnten hat Heitzer den Jugendaustausch merklich angeschoben. Längst bewegt ihn ein großes Team. Das ist dem 60-Jährigen wichtig. Denn eine One-Man-Show war die Multi nie. Gemeinsam mit vielen ehrenamtlichen Helfern ist aus dem Treffen der Kulturen der größte Jugendaustausch auf kommunaler Ebene in Deutschland geworden. Am Samstag und Sonntag kommen wieder mehr als 180 junge Menschen aus aller Welt an — zwei Wochen lang sind sie Oberhausener.
Multi war nie eine One-Man-Show
„Es bleiben so viele Erinnerungen hängen“, sagt Wolfgang Heitzer, der bei der aktuellen Multi seiner Nachfolgerin Miriam Römer noch beratend zur Seite steht. Multi ist nichts, was man in den Schrank legt. Ablegt. Viele der Helfer waren früher selbst in der Welt unterwegs und helfen nun bei sozialen Projekten mit und vermitteln Gastfamilien.
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Irgendwann hat es angefangen mit der Multi-Leidenschaft. Die Fotos aus den Archiven reichen bis in die 1970er Jahre zurück. Die Multi ist aber eigentlich — zählt man auch die Vorgänger auf bilateraler Ebene mit — viel älter: Die Geburtsstunde war Mitte der 1950er Jahre.
„Koordinator“ hieß Heitzers ehemaliger Titel, doch das klingt eigentlich viel zu kalt. Geht es doch um den Dialog zwischen jungen Menschen unterschiedlicher Kulturen, die Grenzen überwinden und sich selbst gegenseitig kennenlernen. So etwas ist in diesen Zeiten aktueller denn je. „Mr. Multi“ haben die Teilnehmer Wolfgang Heitzer einmal liebevoll getauft.
Es wurde viel gelacht. Die meisten Kontakte zu internationalen Partnern sind gewachsen. Im vergangenen Jahr reiste die Oberhausener Musik-Gruppe Mottek zur großen Tournee nach China. Erst die Kontakte der Multi zu Freunden in China machten diese Reise möglich.
Aber nicht alles ist purer Spaß. Sondern sorgfältiges Abwägen. Etwa, wenn es bei den Reisen um das Visum geht. Wenn im Ausland Behördengänge anstehen. Man zwischendurch auch mal besorgte Eltern beruhigen muss. „Es ist immer auch ein Stück Diplomatie“, sagt Wolfgang Heitzer und schaut in seine Kladde. Multi, das weiß seine Nachfolgerin Miriam Römer ebenfalls, sind nicht nur die zwei Wochen, in denen die Gäste aus aller Welt nach Oberhausen kommen. Es ist viel Vorbereitung — vom Einteilen der Gastfamilien bis zum Packen der „Fresspakete“.
Freundschaften sind gewachsen
Miriam Römer schätzt das Herzliche an der Multi — die Friedensidee. Und den Wert des Zusammentreffens verschiedener Kulturen für die Jugendlichen. Die Sozialwissenschaftlerin steigt nicht quer ein, arbeitete vorher im Controlling beim Jugendamt. „Ich habe meine Diplomarbeit über eine israelische Stadt geschrieben und dort während der Forschung gelebt. Damals sind viele neue Kontakte entstanden.“
Die zusätzliche Zeit möchte Wolfgang Heitzer nun tierisch nutzen. Sein Australien-Shepherd-Welpe „Finny“ bringt ihn auf Touren. Auch sportlich bleibt der 60-Jährige aktiv dabei. Der begeisterte Läufer nahm 2005 zum Beispiel am berühmten New-York-City-Marathon teil.
Nun ist erst einmal wieder Multi-Zeit. Seine Kladde wird wieder dabei sein, beim Herzensprojekt, das sich um die Welt multipliziert hat. Eine Multi-Teilnehmerin hat das urbane Gefühl des Jugendaustauschs vor einigen Jahren einmal frei nach Brecht in Worte verpackt: „Und würd’ ich 1000 Jahre alt, so würd’ ich mich 1000 Jahre auf die Multi freuen, und ich würd' 1000 Mal Danke sagen.”