Oberhausen. Fragen an Jobcenter-Chef und den Jobcenter-Sprecher: Warum reichen zwei Berufsabschlüsse plus Studium nicht, um bei der Jobsuche Erfolg zu haben?

  • Trotz intensiver Bemühungen findet Thorsten Meinike seit 17 Jahren keinen Job
  • Der 40-Jährige hat zwei kaufmännische Ausbildungen und ein Studium absolviert
  • Als Ablehnungsgrund sprechen Arbeitgeber gerne ausweichend von „Überqualifizierung“

Abitur am Elsa-Brändström-Gymnasium, eine Ausbildung zum Bürokaufmann bei Rück, eine zum Kaufmann im Gesundheitswesen bei der Trivium GmbH sowie ein Studium als Ökonom für Gesundheit- und Sozialwesen. Diese Abschlüsse hat der 40-jährige Thorsten Meinike in seinem bisherigen Lebenslauf absolviert.

Und trotzdem findet der Oberhausener seit 17 Jahren keinen Job. Er hat das Gefühl, nicht weiter zu kommen und stellt sich immer wieder Fragen, die viele Langzeitarbeitslose haben. In einem Gespräch mit Journalistin Eva Adler geben der Geschäftsführer des Jobcenters Uwe Weinand und der Pressesprecher Josef Vogt Antworten.

Reicht Ihrer Meinung nach der Praxisanteil der Maßnahmen für Langzeitarbeitslose aus und führt dies zu einer Wiedereingliederung in den Beruf?

Vogt: Ja. Es gibt vielfältige Möglichkeiten für Arbeitssuchende, praktische Erfahrungen mit Hilfe der Vermittlung des Jobcenters zu sammeln. Die Angebote sind individuell zugeschnitten und orientieren sich am persönlichen Unterstützungsbedarf. Beispielsweise könnte ein Elektriker einen Staplerschein erwerben, um sich mit einem weiteren Standbein für Tätigkeiten im Elektrogroßhandel aufstellen zu können. Es könnte aber auch – insbesondere für Menschen, die längere Zeit nicht gearbeitet haben --, notwendig sein, Angebote zu nutzen, durch die sie erst einmal in den Tagesrhythmus wieder rein finden, Strukturen erlernen und Selbstvertrauen gewinnen.

Wieso werden die praktischen Qualifizierungsmaßnahmen der Arbeitssuchenden nicht entlohnt?

Vogt: Es gibt durchaus Qualifizierungsangebote, bei denen eine Entlohnung stattfindet. Ich denke zum Beispiel an Eingliederungszuschüsse, die bei der Einstellung Arbeitsloser an Arbeitgeber gewährt werden können.

Arbeitslose werden sozialversicherungspflichtig beschäftigt und qualifiziert. Der Arbeitgeber zahlt den Tariflohn, oder den ortsüblichen Lohn, wenn keine tarifliche Bindung gegeben ist, an den Arbeitnehmer und das Jobcenter beteiligt sich an den Lohnkosten für die Dauer der Qualifizierung.

Sind Trainingsmaßnahmen vom Jobcenter bei Arbeitgebern verpönt?

Weinand: Nein. Es ist ein lange bewährtes und erprobtes Instrument. Es ist kein Nachteil bei einer Bewerbung. Wichtig ist, dass der Bewerber im Lebenslauf oder Anschreiben die Dinge erwähnt, die ihn bestmöglich präsentieren.

Wird die Arbeitslosenquote dadurch beschönigt, dass Arbeitssuchende in Maßnahmen tätig sind?

Weinand: Nein, denn wenn Arbeitssuchende in Trainingsmaßnahmen tätig sind, werden sie trotzdem in der Statistik gezählt. Unser Ziel ist es nicht, Arbeitssuchende aus der Statistik herauszuhalten. Wir wollen die Menschen in Arbeit bekommen, damit sie ein selbstbestimmtes Leben führen können. Unsere Motivation ist es sie beruflich nach vorne zu bringen.

Herr Meinike hat die Erfahrung gemacht, dass Arbeitgeber ihn als überqualifiziert ansehen und aus diesem Grund ablehnen. Wie erklären Sie sich das?

Vogt: Ich kenne diese Antwort von Arbeitgebern und erkläre sie wie folgt: Jeder Personalchef hat gewisse Filterkriterien, anhand derer er Bewerbungen aussortiert. Dazu gehört auch die Dauer der Arbeitslosigkeit. Und das führt dazu, dass Personaler weder die Bewerbungen vollständig durchschauen, noch dass sie die Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einladen. Und um bei einer Absage nicht in Erklärungsnot zu geraten, verwenden Arbeitgeber allgemeine Gründe, wie beispielsweise: Andere Bewerber passten besser zu uns oder eben, Sie sind überqualifiziert. So muss er sich nicht rechtfertigen. Genau aus diesem Grund sind vom Jobcenter vermittelte praktische Trainingsmaßnahmen enorm wichtig. Hier kann sich der Bewerber beweisen, Bereiche kennenlernen und gleichzeitig lernt der Arbeitgeber die Person und deren Arbeitsweise kennen.

In Oberhausen sind rund 6160 Menschen länger als ein Jahr arbeitslos. Was führt dazu, dass sie keinen Job finden?

Vogt: Unterschiedliche Gründe können eine Rolle spielen. Wichtige Faktoren können sein, ein fehlender Schulabschluss, eine fehlende Ausbildung oder ungenügende Sprachkenntnisse. Aber auch die gesundheitliche Verfassung, die Persönlichkeit oder die familiäre Situation können Ursache sein. Wir müssen uns anschauen, was ursächlich für eine lange Phase der Arbeitslosigkeit ist und versuchen, gemeinsam eine Lösung zu finden. Dazu müssen die Bewerber uns gegenüber offen Probleme ansprechen.

Wenn ein Bewerber nach einem Probearbeiten nicht überzeugen kann, wie gehen Sie dann vor?

Vogt: Wichtig ist, dass wir die Erfahrungen gemeinsam aufarbeiten, die Gründe ermitteln und die richtigen Rückschlüsse für Folgeaktivitäten ziehen. Der Bewerber muss ein Gespür dafür bekommen, woran es lag. Denn nur so können wir Enttäuschungen vermeiden.