Oberhausen. Als Elektroninstallateur kann Christian M. nicht mehr arbeiten. Seine Knochen machten schlapp. Umschulung als Bürokaufmann sollte helfen. Ohne Erfolg.
Zuerst die Knie, dann die Hüften, dann die Schultern. Vor zwei Jahren haben die Ärzte festgestellt, dass diese drei Körperteile nicht mehr ihre Funktion erfüllen. Sie müssen entfernt und künstlich ersetzt werden. „Die sind kaputt, da ist nix mehr zu retten“, sagt der Patient, der seinen Namen n icht öffentlich nennen möchte. In diesem Bericht soll er Christian M. heißen.
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Mit 18 Jahren begann der heute 44-Jährige eine Ausbildung zum Elektroinstallateur und arbeitete elf Jahre in diesem Job. Dann fing sein Rücken an, ihm Probleme zu bereiten. Erst behandelten die Ärzte den Ischiasnerv. Nach einiger Zeit stellte sich jedoch heraus, dass M. einen dreifachen Bandscheibenvorfall links und einen einfachen rechts erlitten hatte.
Und das kommt nicht von ungefähr. „Während der Ausbildung haben wir zu zweit Nachtspeicheröfen oftmals von der sechsten Etage runtergetragen. So ein Ding wiegt fast 400 Kilo“, erklärt der gebürtige Mülheimer. „Irgendwann sagt der Körper Tschüss.“ M. winkt dabei mit einer Hand. Damals war er gerade 27 Jahre jung.
Sieben Operationen
Seit 18 Jahren ist er in ärztlicher Behandlung, hat schon sieben Operationen überstanden sowie zwei stationäre und zwei ambulante Rehas. 2004 wurden ihm zwei Bandscheiben entfernt und Schrauben eingesetzt. „Man darf in diesem Land alles werden, nur nicht krank“, spottet M.. Denn das hat Auswirkungen. Seitdem sein Körper nicht mehr will, findet er keinen Job mehr.
Gelernt hat er den Beruf des Elektroinstallateurs, hat außerdem eine Weiterbildung als Alarmanlagentechniker, eine Umschulung zum Bürokaufmann und eine als Finanzbuchhalter absolviert. Im Prinzip könnte er in allen vier Berufen arbeiten, doch das ist gar nicht so einfach. „Tausend Bewerbungen auf Ausschreibungen als Bürokaufmann oder Finanzbuchhalter habe ich abgeschickt.“ Bis zur holländischen Nordseegrenze. Ohne Erfolg. „Bis heute hab ich noch nie im Büro gearbeitet“, beklagt er.
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Aber er könne es nachvollziehen. „Wäre ich Arbeitgeber, würde ich es auch so machen.“ Es sei einfacher, einen gesunden Menschen rauszuschmeißen, als einen kranken. Außerdem hätten fertige Azubis praktische Erfahrungen gesammelt, er als Quereinsteiger nicht. Und das sei das Problem: Umschulungen müssten seiner Meinung nach betrieblich stattfinden, um praktische Erfahrungen sammeln zu können. „Die Umschulung hatte so keinen Nutzen“, beschwert sich M.. „Es ist vergebene Lebensmühe.“
Im Baugewerbe fand er Jobs
In seinen handwerklichen Wurzeln hingegen hat er mühelos immer wieder auf dem Bau weiterarbeiten können. „Ich bin zu den Firmen hingefahren und hatte nach einer Stunde einen Arbeitsvertrag in der Tasche. Im Baugewerbe findet man viel“, weiß der Installateur. „Ich habe drei Kinder, ich wollte stark sein und zeigen, dass es irgendwie weiter geht.“ Er war immer weiter als Installateur tätig. Mit Spritzen und Tabletten ging es mal bergauf, mal bergab: „Krank, Bau, krank, Bau, so ging es hin und her“. 2012 zog er dann die Reißleine.
Noch hat der 44-Jährige aber 22 Berufsjahre vor sich. „Ich will arbeiten, darf aber nicht mehr.“ Und er findet auch nichts. „Ich fühle mich so, als wäre ich zu nichts zu gebrauchen.“ Lieber würde er 20 Stunden auf dem Bau arbeiten, als Hartz IV zu beziehen. „Es befriedigt nicht.“ Nicht nur beruflich, auch privat ging es nach der Erkrankung „den Bach runter“. Seit drei Jahren ist er getrennt lebend, wohnt alleine, die Kinder sind bei der Mutter. Auch der frühere Bekanntenkreis habe sich verkleinert.
Seit Februar nun ist der Oberhausener für sechs Monate in einer Maßnahme, arbeitet als Ein-Euro-Jobber bei dem Verein Starthilfe e.V. und übernimmt Bürotätigkeiten. Und um diesen Job hat er sich gerissen: „Hier kann ich zum ersten Mal Erfahrungen als Bürokraft sammeln. Ich bekomme aber auch das Elend mit. Alleinerziehende, die irgendwie durchkommen müssen, ältere Menschen, die längst aufgegeben haben.“ Er würde gerne mal einen Politiker sehen, der mit 4,72 Euro pro Tag für Lebensmittel auskomme. Der Groll auf die Politik ist groß. Natürlich gebe es auch immer schwarze Schafe, so zum Beispiel an der unteren Marktstraße. „Leute, die den ganzen Tag mit Bierpullen rumstehen. Und mit denen wird man in eine Schublade gesteckt.“