Oberhausen. Besonders die 25- bis 45-Jährigen suchen Hilfe beim Diakonischen Werk. Günstige Finanzierungsangebote und der Internethandel verschärfen die Problematik.

„Kaufen Sie jetzt, zahlen sie später“, „Jetzt zuschlagen und die Null-Prozent-Finanzierung sichern“. Mit solchen und anderen Angeboten locken heutzutage große Möbelkaufhäuser und Elektronikmärkte ihre Kunden zum Kauf. Und das hat Auswirkungen.

So waren in Oberhausen im Jahr 2015 fast 26 000 Menschen überschuldet. „Die Möglichkeiten sich zu verschulden, sind größer geworden, besonders durch das Internet“, beschreibt Karl Hörnschemeyer, Sachgebietsleiter bei der Schuldnerberatung des Diakonischen Werks in Oberhausen, eine der Ursachen für Überschuldung. Seit 28 Jahren, seit dem Gründungstag der Beratung, ist er in dem Beruf tätig und hat viele Erfahrungen gesammelt.

Riesiges Angebot ist ein Problem

Die vielen Angebote im Internet und die schnelle bargeldlose Bezahlung vereinfachten den Kauf von Artikeln. Früher sei alles überschaubarer gewesen. „Es gab drei Kataloge und das war’s. Den Einkauf im Internet zu begrenzen oder zu sperren, ist fast unmöglich“, fügt die Diplom-Sozialpädagogin Andrea Kleinelützum hinzu. Sie ist ebenfalls als Schuldenberaterin beim Diakonischen Werk tätig.

Besonders Oberhausener im Alter zwischen 25 und 45 Jahren mit einem Durchschnittseinkommen von 1500 bis 3000 Euro netto suchen Hilfe bei den Beratern. Aber auch Personen im fortgeschrittenen Alter sind auf Unterstützung angewiesen: „Die Beratung einer 80-jährigen Frau, die bis zum Tod ihres Mannes nichts von seiner Verschuldung wusste, hat mich berührt und nachdenklich gemacht“, sagt Kleinelützum. Solche existenzgefährdenden Fälle seien nicht vergleichbar mit denen von 18- oder 19-Jährigen, die wegen ihres Handyvertrags überschuldet seien.

Oftmals ziehe sich die Überschuldungsproblematik durch Familien und Generationen. „Der Umgang mit Geld wird vorgelebt und weitergegeben“, beschreibt Petra Rambow, ebenfalls Schuldnerberaterin beim Diakonischen Werk die Ursachen.

Wenn sich schon Kinder im Alter von acht Jahren bei der Klassenfahrt Geld von fremden Eltern leihen, liefe etwas schief, berichtet Andrea Kleinelützum. „Man muss den Zwergen klar machen, wenn das Geld ausgegeben ist, dann ist es weg. Eltern sollten hier konsequenter sein.“

Die Hemmschwelle ist gesunken

Aber: Der Bezug zu Geld sei heutzutage besonders bei jungen Leuten anders. „Die Hemmschwelle, sich zu verschulden, ist gesunken, weil die Gesellschaft es akzeptiert auf Pump zu kaufen und das kann in die Schuldenfalle führen“, so Kleinelützum weiter. Früher hätten Kunden viel häufiger bar gezahlt, oftmals hätte es sogar einen Nachlass gegeben. Heute hingegen ist es andersrum. Den Verkäufern sei eine Finanzierung lieber, weil sie Provision bekämen. Hörnschemeyer selber verfechtet generell Barzahlung und besitzt gar keine Kreditkarte. „Das Geld, das ich in der Hand halte, kann ich ausgeben und verliere nicht so schnell den Überblick über meine Finanzen.“

Arbeitslosigkeit, Trennung, Scheidung, der Tod eines Partners oder eine Erkrankung seien oftmals der Grund für einen ungeplanten Einkommensrückgang. Aber auch Armutsschulden seien ein Problem. So würden sozial schwächer gestellte Familien durch Konsum versuchen am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können.„Wunsch und Wirklichkeit treffen aufeinander“, benennt Hörnschemeyer die Problematik.

Rund 900 Fälle haben die Schuldenberater 2015 bearbeitet. Freiwillig oder auf Zuweisung vom Jobcenter holen sich die überschuldeten Personen Rat bei der Einrichtung. Im Durchschnitt haben sie zwischen 15.000 und 25.000 Euro Schulden. Die Spanne reiche generell aber von 500 bis 1,5 Millionen Euro. „Die Ratsuchenden suchen Wege aus der Verschuldung, da sie dem Druck durch Mahnungen oder des Gerichtsvollziehers entweichen wollen.“, so Hörnschemeyer.

„Wir arbeiten empathisch, trösten, machen Mut und verurteilen keinen“, beschreibt Rambow die Arbeitsweise. Trotzdem seien sie nur die Experten für das Tun, nicht aber für das Umsetzen. Nach drei Monaten bis maximal fünf Jahren seien aber die Personen schuldenfrei.

„Wenige ehemalige Ratsuchenden sehen wir wieder, da ihnen schon einmal geholfen worden ist“, sagt Rambow.