Oberhausen. Die Schuldnerberatung des Diakonischen Werks führte 891 Beratungen 2014. Die „Hilfe zur Selbsthilfe“ muss oft bei einfachsten Fertigkeiten ansetzen.

„Verschuldung gehört zu unserem Leben.“ Karl Hörnschemeyer meint damit nicht nur seine eigene Klientel als Schuldnerberater. In Ballungsgebieten gelten 13 bis 15 Prozent der Haushalte als überschuldet. „Aber es sind viel mehr Menschen, die Finanzierungen laufen haben“, weiß der diplomierte Volkswirt. Hauskauf, Auto, Einrichtung, Urlaub: Das alles geht für ein Paar gut, solange beide gut verdienen, solange sie sich nicht trennen, solange beide ihren Job nicht verlieren.

Der durchschnittliche Klient der Schuldnerberatung – wie ihn der aktuelle Jahresbericht 2014 beschreibt – hat bei sechs Gläubigern insgesamt Schulden von 25.500 Euro. Er oder sie ist „25 bis 45 Jahre alt“, ergänzt Hörnschemeyer. Die Ursachen für die Überschuldung? Es ist der überall vorgelebte Lebensstil auf Kredit, verbunden mit nachlässiger Planung. Dann einsetzende harte Schnitte wie Scheidung oder Arbeitslosigkeit nennt er, der Schuldnerberater seit 27 Jahren ist, „eher Auslöser als Ursache“. Dann komme der Moment, in dem die Bank „Stopp“ sagt.

Zur Beratung erst um „kurz nach 12“

891 Beratungen führten die beiden Sozialpädagoginnen in Teilzeit und der Vollzeit-beratende Diplom-Volkswirt im vorigen Jahr, etwas weniger als 2013 mit 1027 Beratungen. 242 ihrer Klienten waren Langzeitarbeitslose – ein großer Teil, aber eben längst nicht die einzige Klientel. Den meisten Ratsuchenden gemeinsam ist: Sie kommen „kurz nach 12“, wie Karl Hörnschemeyer sagt. Er bedauert, dass der Weg zur professionellen Hilfe nach wie vor ein großes Tabu darstellt. Für ihn gehörte der Umgang mit Geld schon im Kindergarten vermittelt.

„Kurz nach 12“, das heißt: Die Berater müssen oft zuallererst dafür sorgen, dass die Ratsuchenden nicht ihre Wohnung verlieren. „Eine Bank bedient eher die Kreditraten als die Miete“, erklärt der Schuldnerberater. „Diese Zahlungsmoral müssen wir umkehren.“ Miete, Strom, Heizung sind die wichtigsten Posten.

Schuldvorwürfe helfen nicht weiter

Ratsuchende sollen aktiv mitwirken

Das Logo des Diakonischen Werkes ist in die Fenster der Schuldnerberatung geprägt. Sie unterhält die vor 28 Jahren gegründete Institution, entstanden als Arbeitsbeschaffungs-Maßnahme.

Termine vergibt die Schuldnerberatung montags und mittwochs von 9 bis 12 Uhr unter 0208 / 80 70 20 oder per E-Mail an Karl. hoernschemeyer@kirche-oberhausen.de. Die Wartezeit für einen Beratungstermin beträgt 14 Tage. Für ganz akute Probleme gibt es eine wöchentliche Sprechstunde.

Die Ratsuchenden müssen bereit sein, ihre finanziellen Verhältnisse offenzulegen, aktiv mitzuarbeiten und Termine einzuhalten. Mitzubringen zur Aufnahme in der Verwaltung der Schuldnerberatung sind Unterlagen zur Verschuldung (möglichst geordnet), Einkommensnachweise, Mietvertrag und eine Übersicht über die monatlichen Ein- und Ausgaben.

Die Klischeevorstellung, dass Überschuldete einen Karton ungeöffneter Mahnbriefe vor den Berater auskippen, stimmt – und stimmt auch nicht. „Es gibt auch die gut strukturierte Person“, sagt Hörnschemeyer, „die ihre Papiere in guter Ordnung hat“. Allerdings beschreibt auch sein Jahresbericht eindringlich, dass die als Prinzip hochgehaltene „Hilfe zur Selbsthilfe“ oft bei den einfachsten Fertigkeiten einsetzen muss. Das Führen des Haushaltsbuches gehört dazu.

„Sie hören von uns keinen Schuldvorwurf“, betont der Berater. „Das hilft nicht weiter.“ Karl Hörnschemeyer nennt es grundsätzlich „bewundernswert“, dass Ratsuchende sich zu ihm und seinen Kolleginnen auf den Weg machen, sich also zunächst selbst ihre Probleme eingestanden haben. „Viele sind dann froh, dass sie sich aussprechen können.“

Oft ist es ein langer Weg

Kunden des Jobcenters benötigen für die Beratung eine „Zuweisung“ ihres Fallmanagers – vor allem, damit beide Seiten über die Schritte zur Entschuldung im Bilde sind. Allerdings stellen diese 379 Zuweisungen des Vorjahres auch das Gros der 158 „Abbrüche“. Hörnschemeyer erklärt: Es sind überwiegend Personen, die gar nicht erst zu ihrem ersten Termin erschienen sind – womöglich mit dem Gedanken: Mir kann sowieso keiner helfen.

Die Schuldnerberatung aber kann helfen – oft ist es allerdings ein langer Weg. „Manche bleiben fünf, sechs Jahre bei uns“, sagt Karl Hörnschemeyer, „mit über 20 Beratungsstunden im Jahr“. Sie haben dann gelernt: Die auf allen Werbe-Kanälen angepriesene Null-Prozent-Finanzierung „ist nicht billig, sondern teuer“.