Oberhausen. . Ein Besuch beim Repair-Café der Lebenshilfe in der Stadtteilbibliothek Sterkrade. Hier hauchen Tüftler alten Geräten neues Leben ein.
Er passt so gar nicht in eine Bibliothek, der massive, zehn Meter lange Arbeitstisch mit den Werkstattlampen und den Steckdosenkästen, die über jedem Platz herunter hängen. An diesen Tischen soll auch nicht gelesen, sondern getüftelt werden – beim Repair-Café, das die Stadtteilbibliothek Sterkrade an jedem dritten Samstag eines Monats mit dem Verein Lebenshilfe anbietet.
An diesem Samstag ist Marlis Thirock aus Sterkrade mit ihrem defekten Radiowecker gekommen. „Ich wollte schon lange damit zum Repair-Café“, erzählt sie. Aber sie habe immer wieder andere Verpflichtungen gehabt. „Den hab’ ich vor 20 Jahren von meiner Mutter geschenkt bekommen“, erinnert sie sich. Aber seit einiger Zeit mache er bei der Sendersuche störende Geräusche. Thirock trifft hier auf Herbert Cieslinski, der früher als Mess- und Regelmechaniker gearbeitet hat. „Ich helfe gern Leuten“, erzählt er. Deshalb ist er auch von Beginn an, also seit März, beim Repair-Café dabei. Marlis Thirock kann er helfen. „Er hat mir geraten, das Antennenkabel künftig irgendwie zu befestigen“, erzählt die Frau. Damit kann sie das Gerät weiter als Radio nutzen. Nur die Weck-Funktion klappt nicht mehr.
Mehr Kopfzerbrechen bereitet dem Tüftler jener CD-Player, den eine ältere Dame ihm gebracht hat. Aber nur weil Cieslinski den Plattenteller wieder zum Drehen gebracht hat, ist das Problem noch nicht gelöst. „Man hört noch keine Musik“, sagt er und hat auch schon eine Vermutung, woran das liegen könnte: „Vermutlich läuft der Antrieb zu langsam, so dass der Laser das gar nicht erkennt.“ Aber die Frau ist ganz schnell wieder mit ihrem noch immer defekten Gerät verschwunden.
Vorrat an Ersatzteilen
Ingrid Mölleken aus Königshardt hat eine Herausforderung für Norbert Papenfuß mitgebracht: einen Wasserkocher, dessen Deckel sich auf Knopfdruck nicht mehr öffnen lässt. Sie kann also gar kein Wasser mehr einfüllen. „Das ist ärgerlich, denn das Gerät ist erst zweieinhalb Jahre alt“, sagt sie. Die Garantie ist aber schon abgelaufen. Papenfuß hat schnell herausgefunden, woran es liegt. Ein kleiner Haltestift am Gelenk des Deckels ist abgebrochen. Mit Sekundenkleber hält er nicht. Das hat der Tüftler aus Alstaden vergeblich versucht. Er wird den Wasserkocher mit nach Hause nehmen. „Ich will da eine kleine Schraube einsetzen“, sagt er. Und dann macht er sich an einem alten Bügeleisen zu schaffen, das irreparabel ist. Er zerlegt es. „Das Netzkabel kann ich noch gebrauchen“, sagt er. Falls mal jemand ins Repair-Café kommt, bei dem gerade das defekt ist. Das passiert beim häufigen Knicken schnell.
Werner Mußlick aus Sterkrade ist ein weiterer Helfer am langen Arbeitstisch. Er philosophiert mit Herbert Cieslinski über die Wegwerf-Gesellschaft. „Uns fehlt noch ein Elektroniker“, sagt er. Jahrelang hat er in seinem früheren Beruf Fotokopierer und Drucker gewartet. „Aber um andere Geräte verstehen zu können, brauche ich einen Schaltplan.“ Der gehöre bei vielen heutigen Produkten nicht mehr zum Lieferumfang. Ein routinierter Elektroniker bekomme vielleicht auch ohne Schaltplan heraus, woran ein Defekt liegen könnte.
„Reparaturen sind heute nicht mehr vorgesehen“, sind sich die beiden Männer einig. Zum Beispiel bei einem TV-Flachbildschirm für 250 Euro. „Manchmal sind Gehäuse so verklebt, dass sie bei dem Versuch, sie zu öffnen, kaputt gehen“, erzählt Cieslinski. Mußlick hat ein anderes Beispiel: „Es gibt Schrauben, die lassen sich zwar ein-, aber nicht mehr herausdrehen.“ Da sind die Tüftler vom Repair-Café dann froh, wenn sie es doch noch schaffen, ein Wegwerfen zu vermeiden.
Freude am Zusammensein
Solch technische Probleme hat Simone de Jong aus Bochum nicht. Auch sie freut sich wie die anderen hier, sich ehrenamtlich engagieren zu können, bekam nach einer Anfrage bei der Stadt den Tipp, es mal bei der Lebenshilfe zu versuchen.
Jetzt sitzt sie vor einer Nähmaschine und einem Nähkästchen mit Zubehör. Die neunjährige Nina hat ihr eine Teddy-Jacke gebracht, deren Kapuzen-Naht sich gelöst hatte. „Das hab’ ich mit der Hand genäht“, sagt sie. So brauchte sie diesmal an der Nähmaschine gar nicht in Aktion zu treten. „Es macht auch so Spaß, mit den Leuten einfach nur zu sprechen“, sagt Simone de Jong.
„Schon vor der Neueröffnung der Sterkrader Bibliothek im Frühjahr kam die Idee auf, dort künftig auch ein Repair-Café anzubieten“, berichtet Frank Brands. Er ist bei der Lebenshilfe für den Einsatz der ehrenamtlichen Helfer zuständig. „Wir gestalten ja zusammen mit der Bibliothek schon den Lehr-Leseclub, ein Vorlesen aus Büchern für Menschen mit Handicap.“
An jedem dritten Samstag eines Monats ist in der Bibliothek an der Wilhelmstraße 9 von 10.30 bis 12.30 Uhr jeder willkommen, der etwas zu reparieren hat oder sich als Gratis-Tüftler zu diesem Zweck anderen anbieten möchte.
Frank Brands ist sehr zufrieden mit dem Angebot. „Wir haben einen sehr regen Besuch. Es ist viel zu tun“, freut er sich. Manche Leute kämen aber erst einmal, um sich zu informieren, ehe sie beim nächsten Mal dann ihr defektes Gerät bringen würden.