Oberhausen. . Winfried Baar und Jürgen Mrak zählen zu den Leihgebern der Rock-Ausstellung im Ruhrmuseum. Unterwegs in der Ära von Skiffle, Beat und „Reifrock“.

Das Banjo von Stoppok mit dem schönen Namen „The Hawk“ und das goldglänzende Tenorsaxophon von Wolf Codera mögen ja keine so großen Überraschungen sein im bunten Sammelsurium der ersten umfassenden Ausstellung zu „Rock & Pop im Pott“. Aber zwischen dem mit Band-Stickern beklebten Punk-Bass und einem restlos skurrilen Keramik-„Blasekopf“ des musikalischen Anarchisten Charly Scharloh ruht das schmale Brett einer „Epinette des Vosges“. Und dieses Saiteninstrument sieht genauso nach mittelalterlicher Minne aus wie sein gezierter Name vermuten lässt.

Jürgen Mrak hat die Epinette selbst gebaut, Winfried Baar die daneben drapierte Dulcimer: Zwei Oberhausener zählen mit ihren Instrumenten im Stil von anno dunnemals zu den Leihgebern der „60 Jahre Musik im Ruhrgebiet“ im Essener Weltkulturerbe Zollverein. Oder sind’s womöglich 600 Jahre? Baar und Mrak (zusammen 144 Jahre alt) sehen sich jedenfalls als Genre-Pioniere: Der Mittelalter-Rock, dessen Standarten heute Bands wie „In extremo“ und „Subway to Sally“ hochhalten, debütierte in Hamburg 1970 in Gestalt von „Ougenweide“ – und 1978 im Oberhausener Revierpark Vonderort mit dem ersten Auftritt von „Reifrock“: In der Ahnengalerie aus rund 700 LPs, CDs und DVDs, die diesen Winkel des Ruhrmuseums wie einen Secondhand-Laden aussehen lassen, steht das Reifrock-Album mit dem bezeichnenden Titel „Ritter, Räuber und Zigeuner“ direkt unter den Regalreihen mit dem Oeuvre von Phillip Boa.

Auf dem Altmarkt und auf Zollverein

Eine stilvolle Einstimmung auf die Zollverein-Ausstellung geben fünf Bands am Samstag, 16. Juli, um 19 Uhr auf dem Altmarkt: „Rock und Pop in Oberhausen – die ersten 50 Jahre“. Zum Aufgebot zählen die „Wild Wind Skifflegroup“, „Tom Angel & Smarties“ mit Rock’n’Roll, der Sixties-Rock der „Downtown Angels“, gefolgt von „Reifrock“ und dem Deutschrock der „Männer in Dosen“. Eintritt frei.

Auch beim „Beat auf Zollverein“ repräsentieren die „Downtown Angels“ die Oberhausener Szene. Dieser Auftritt folgt allerdings erst am Samstag, 10. Dezember, als viertes von insgesamt sieben Konzerten, die von November bis Februar 2017 mit jeweils mehreren Bands durch die Spielarten führen: von Ska über Rock’n’Roll und Beat zu Heavy Metal und Punk.

Jürgen „Lumpi“ Mrak und Winfried „Baba“ Baar waren aber längst gestandene Musiker, als Baby Boa 1963 den ersten Wiegenschrei tat: Baar sang Rockabilly im harmonischen Stil der Everly Brothers, und Mrak ließ sich den „Wild Wind“ seiner Skifflegroup um die Nase wehen. Das war noch ganz und gar handgemachte Musik (viel später sollte man „unplugged“ dazu sagen) mit so rustikalen Instrumenten wie Waschbrett und Teekisten-Bass. Mit dem Skiffle beginnt der museale Parcours durch die Pop-Historie.

Gerührter Blick unter die Hammond

„Gitarren gab’s billig bei Quelle“, erinnert sich „Lumpi“. Wozu auch hätte man auf ein edleres Modell sparen sollen, fragt er rhetorisch, „wenn die Verstärker aus Radios umgebaut sind?“ Damit galt es, 300 oder noch mehr Fans in kultigen Lokalitäten wie dem Sterkrader Kaiserhof zu beschallen. „Baba“ Baar führte zwar mit den „Downtown Angels“ die damals härteste Stones-Kopie des Reviers. Doch vom Gehör gefährdenden Schalldruck in heutigen Konzert-Arenen war man noch weit entfernt. Gerührt blicken die beiden 72-Jährigen in die Vitrine mit der Hammondorgel: „Da ist die Echolette“ – mit sechs Reglern und vier Kippschaltern eine zarte Altvordere unter den Effektgeräten. „Das war der Klassiker.“

Die Ausstellung „Rock & Pop im Pott“

Im weitläufigen Weltkulturerbe der Zeche Zollverein residiert die Ausstellung „Rock & Pop im Pott“ des Ruhrmuseums noch bis Ende Februar 2017 auf der Zwölf-Meter-Ebene der Kohlenwäsche: Man nimmt die spektakuläre Frei-Rolltreppe, erwirbt oben seine Karten für 7 Euro (ermäßigt 4 Euro) und steigt drinnen wieder hinab in die mittlere Etage zwischen den Ebenen der Dauer-Ausstellung.

Chronologisch führen Rundgang und Katalogbuch (zu 24,95 Euro erschienen im Klartext-Verlag) durch die Epochen der Pop-Musik: vom Waschbrett-Skiffle bis zu Techno und Hip Hop. Neben zahlreichen Hörstationen gibt’s auch (für 3 Euro) einen Audioguide, der mit 67 Beiträgen zwei Stunden durch den 50-Jahre-Parcours führt. Online informiert auf ruhrmuseum.de

Eher spöttisch betrachten Baar und Mrak die Vitrine mit der Herrenausstatter-Mode der German Blue Flames: Die Gelsenkirchener hatten zwar – dank dreier Auftritte in Uschi Nerkes „Beatclub“ – sogar bundesweit einen Namen und eine eigene LP eingespielt. Dem Sänger der Oberhausener „Angels“ war diese Konkurrenz aber zu schlageresk: „Aufgenommen von deutschen Produzenten, die es noch nicht richtig konnten.“ Als Skiffler hatte es Jürgen Mrak auch mal mit einem einheitlichen Band-Outfit versucht: „Wir wurden ausgelacht!“

"Die Highlights kennt jeder"

Dafür erhielt sich das „Do it yourself“ Bastel-Ethos der frühen Sechziger über 15 Jahre – als für „Reifrock“ die Musiker erneut zu Instrumentenbauern wurden. Jürgen Mrak hatte im französischen Rennes entsetzt festgestellt: „Eine Drehleier kostete umgerechnet 2500 Mark.“ Und Winfried Baar hatte halb London nach einer bezahlbaren Mandoline abgesucht. Kein Wunder, dass die Reifrocker sich in die Zeit der Raubritter träumten . . .

Ein Jäger und vor allem Sammler ist auch der dritte Oberhausener, ohne den die Rock-Historie kaum museale Qualität erreicht hätte: Jürgen Reinke kennt man als Mr. Gitarrissimo. Als Archivar der Rock- und Popmusik im Revier versorgte er das Essener Kuratoren-Team mit Namen und Adressen.

„Die Highlights kennt jeder.“ Winfried Baar nennt natürlich Nena und Grönemeyer. Aber wer erinnert sich an Bands namens „Frau Holle“ oder „Golgatha“? „Die waren nach ein paar Jahren verschollen“ – und selbst ein 280-Seiten-Katalog kann sie nicht erfassen.