Oberhausen. Vier der sieben Geschwister Baar spielen das letzte Gitarrissimo-Konzert. „Downtown Angels“ zählten zu den Ersten, „Reifrock“ zu den Erfolgreichsten.
„Oder jeder spielte zuhause nur für sich“, sagt Helmut Baar. Aber die Musik ganz aufgeben – das käme für die sieben Geschwister dieser Familie wohl nie in Frage. Vier „Baars“, verteilt auf zwei Bands, bestreiten am Samstag, 19. Dezember, um 21 Uhr das letzte Gitarrissimo-Konzert dieses Jahres im Gdanska.
Ein stilvoller Rahmen – obwohl „nur“ die beiden aktuellen Formationen „Superzeit“ und „Old Folks“ längst nicht die breite Band-Historie der Brüder Baar abbilden können. Schließlich blickt Winfried Baar als Ältester zurück auf 55 Jahre Spaß an der Popmusik. „Zuhause in Lirich war nur die Sangesfreude“, erzählt der 71-Jährige. Bürgerlichen Klavierunterricht gab’s nicht – aber dafür den „Romberger Knabenchor“. Vor dem Stimmbruch sang Winfried Baar schon in Amsterdam und Paris, ehe er sich mit 15 auf die Spuren der Everly Brothers setzte.
Von den Nebenbühnen der Folk-Festivals zu Haupt-Bühnen
Die drei Geschwister des kommenden Gitarrissimo-Abends waren noch Kleinkinder und Grundschüler als „Baba“ Baar seit 1964 mit den „Downtown Angels“ dem härteren Blues-Rock der Rolling Stones folgte. „Es war eine Aufbruchstimmung. Wir gehörten zu den ersten.“ Akkorde, Rhythmen und Texte lernten die „Angels“ nach Gehör, „nachts auf Radio Luxemburg“ – Fehler natürlich inbegriffen. „Das Realschul-Englisch war ja nicht so prall“, gesteht Winfried Baar, der spätere Kunsterzieher.
Erst „unplugged“, dann voll verstromt
Als Weihnachtsrock firmiert das Gitarrissimo-Konzert 565 am Samstag, 19. Dezember, um 21 Uhr im Gdanska am Altmarkt. Der Eintritt kostet 12 Euro.
Den Abend eröffnet „unverstromt“ mit vier akustischen Gitarren das Quartett „Old Folks“. Neben den Brüdern Helmut Baar und Thomas Dachwitz spielen Achim Busch und Lutz Plasmeier die kunstvollen Folkrock-Balladen von der US-Westküste.
Zum Party-Rock-Orchester namens „Superzeit“ zählen gleich drei Sängerinnen: Astrid Bittroff, Christa Conen und Angelika Kästner. Die Gitarren bedienen Till Bittroff, Torsten Kischkel und natürlich Winfried Baar. Ihre Mitspieler sind Rüdiger Käster an den Keyboards, Wolfgang Kraft am Bass und Jürgen Leber am Schlagzeug. Ihr Repertoire reicht von den Everlys über die Stones bis zu REM.
Helmut Baar, acht Jahre jünger als sein großer Bruder, elektrisierte der Film vom „Woodstock“-Festival – und zwar vor allem der aufwendig ziselierte Harmoniegesang von Crosby, Stills und Nash: „wunderschön“. Als in der Folk-Formation „Reifrock“ die beiden älteren Brüder zusammen fanden, steckte Helmut Baar schon im Medizinstudium. Die Brüder suchten in Bibliotheken historische Liedertexte und Gedichte – „Protesthaftes und Romantisches“, wie Winfried Baar sagt. Bis zur mittelhochdeutschen Minne eines Walther von der Vogelweide folgten die Reifrocker ihren Vorbildern „Ougenweide“ allerdings nicht – trotz gemeinsamer Auftritte. Als Semi-Profis spielten sich die Studenten von den Nebenbühnen der Folk-Festivals zu Haupt-Bühnen, spielten mehrere Alben ein und erinnerten sich gerne an Auftritte auf einem Ticket mit Alan Stivell, dem bretonischen Harfenisten.
Thomas Dachwitz „war musikalisch den meisten Einflüssen ausgesetzt“, wie der jüngste der Baar-Brüder erzählt. Ihn faszinierte der etwas spätere Laurel Canyon-Rock, wie ihn die Eagles prägte. „Just for Fun“ hieß die Band, in der er als Jüngster mitspielte; gefolgt von „Easydor“ als Pop-Band der 1980er.
Noch ein Gitarrenkoffer in Berlin
Christa Conen sang und singt – wie ihre Schwester Renate – im Kirchenchor und war zudem lange bei der Kaiserswerther Kantorei engagiert. Die Lederjacke, wie ihre Mitsängerinnen in „Superzeit“, zog sie erst an, nachdem der große Bruder Winfried als nun pensionierter Kunsterzieher von Wilhelmshaven nach Oberhausen heimgekehrt war. „Vielleicht hatte ich vorher nicht den Mut“, sinniert Christa Conen. „Superzeit“ jedenfalls – in der imposanten Mannschaftsstärke der E-Street-Band – nennt der Boss, Senior und Lead-Sänger ein „Party-Rock-Orchester“.
Und mit „Old Folks“ pflegen Helmut Baar und Thomas Dachwitz ihr „Canyon Songs“-Faible für fein gezupfte und gesungene Harmonien abseits der üblichen Rock-Motorik. Fehlt eigentlich nur noch Werner Baar in der Phalanx der musikalischen Geschwister. Doch der hat seinen Gitarrenkoffer in Berlin.