Oberhausen. 70 Angehörige der Familie von der Bey treffen sich in Oberhausen. Die entferntesten Verwandten kommen aus Dresden, Berlin und der Schweiz.
Den gewaltigen Stammbaum über elf Generationen schuf Künstlerinnenhand: Die an der Düsseldorfer Akademie ausgebildete Malerin und Illustratorin Annette von der Bey lebt in ihren Werken sonst das von Walter Gropius überlieferte Zitat: „Bunt ist meine Lieblingsfarbe.“ Doch für den langen und teils vertrackt verästelten Weg vom 1620 geborenen Conrad ter Bey bis zu ihrer eigenen Generationen beschied sich die 51-Jährige aus Mönchengladbach auf Blattgrün- und Brauntöne. Die Forschungs- und Fleißarbeit hängt nun gerahmt im Laden des Dieckerhofs an der Stadtgrenze zwischen den beiden Dümpten: Oberhausen und Mülheim.
Denn Hofherr Friedhelm von der Bey mit Kindern und Enkeln ist am Sonntag Gastgeber für das erste – man kann sogar sagen: internationale – Familientreffen der von der Bey. „Wir haben 70 Anmeldungen“, erzählt der 78-Jährige, „20 Kinder sind dabei“. Bisher unbekannte ferne Verwandte aus Dresden und Berlin haben sich angekündigt, sogar ein von der Bey aus der Schweiz.
Gros der Familie während der letzten 400 Jahre am Niederrhein
Der Landwirt mit der Landfleischerei plus Partyservice (eine ideale Voraussetzung für ein großes Familientreffen) und die Künstlerin trafen sich vor gut einem Jahr: Annette von der Bey recherchierte die Familiengeschichte für ihren nun 80-jährigen Vater Manfred, der bereits 2007 ein sprachwissenschaftliches Gutachten des seltenen Familiennamens an der Universität Leipzig in Auftrag gegeben hatte.
„Wir haben hier zusammengetragen, was wir über unsere Familien wussten,“ erzählt Friedhelm von der Bey. „Die Mülheimer kennt man“, sagt der Hofbesitzer knapp. Tatsächlich blieb das Gros der Familie während der letzten 400 Jahre am Niederrhein. Das machte die Nachforschungen in alten Kirchenbüchern für Annette von der Bey etwas einfacher.
Namensgutachten
Mit nur 73 Einträgen im gesamtdeutschen Telefonbuch – heißt es im sprachwissenschaftlichen Gutachten von 2007 – sei der Name von der Bey einer der seltenen. Eine gemeinsame familiäre Wurzel der heutigen Namensträger liegt schon deshalb nahe.
Den Namen „Bey“ übersetzt das Gutachten mit „Biege“. Sie könnte eine mittelalterliche Gerichtsstätte bezeichnen – wahrscheinlicher aber ein markantes Flurstück.
Das Familienwappen hatte 1938 ein Angehöriger der „linksrheinischen“ Familie von der Bey in Auftrag gegeben. Entworfen vom Heraldiker G. W. Stamm verweist es auf die bäuerliche Tradition.
An der Wurzel des Stammbaums: Conrad ter Bey, den die Zeichnerin mit dem Namen seiner 26 Jahre jüngeren Frau Magdalena unter dem schmucken Familienwappen – darauf drei Pflugscharen und gekreuzte Schwerter – zentral platzierte, stammt aus Linnep. So heißen heute nur noch das gleichnamige Schloss und die evangelische Kirchengemeinde; das Territorium zählt heute teils zu Ratingen, teils zu Mülheim.
Der unbekannte Großonkel Robert
Friedhelm von der Bey kann die Geschichte seines Oberhausener Familienzweiges zurückverfolgen bis zum Kauf des damals vernachlässigten Dieckerhofes (benannt nach dem Vorbesitzer) im „Dreikaiserjahr“ 1888. „Mein Urgroßvater kam von Mülheim-Uhlenhorst und hatte vorher den Hof von der Heid gepachtet“, erzählt der 78-jährige Urenkel. „Die Verträge habe ich noch“. Friedhelm von der Bey schlägt sechs eng beschriebene Seiten auf, voller Details zu Pachtbedingungen und Flurstücken. „Sütterlin ist für mich auch nicht einfach zu lesen.“
Hermann von der Bey, der Urgroßvater, lebte von 1829 bis 1911, war also beim Kauf des Hofes schon fast 60 Jahre alt. Mit seiner Frau Elisabeth Stollen hatte er sechs Kinder. Sein Hoferbe Friedrich überstand mit der Familie zwei Weltkriege, baute den durch einen Luftangriff zerstörten Bauernhof 1947 wieder auf – und starb im selben Jahr als 85-Jähriger, weil ein Bulle ihn angegriffen hatte.
Doch selbst in der jüngeren Vergangenheit dieser langen Familiengeschichte gibt es Rätsel: „Über meinen Großonkel Robert“, sagt Friedhelm von der Bey, „habe ich nichts gefunden“. Er nimmt an, dass dieser Verwandte unter den mehr als 300 Namens-Kästchen des Familienstammbaums dem Mordprogramm der NS-„Euthanasie“ zum Opfer gefallen ist. Der Sein Großneffe kennt ihn nur als Namen auf dem Engel-gekrönten Familiengrab auf dem Dümptener Friedhof.