Oberhausen. Theaterpädagogen begleiten die Internationalen Förderklasse am Käthe-Kollwitz-Berufskolleg. Das Schul-Klima ist jetzt „wertschätzender und inniger“.

Wie spricht man mit 16- bis 21-Jährigen, die aus so unterschiedlichen Ländern wie Eritrea, Afghanistan, Russland oder Syrien zufällig in einer Internationalen Förderklasse zusammengewürfelt wurden, über Rollenbilder? Über das Verhältnis von Mann und Frau? Über Geschlechterbilder in ihrer Heimat und in Deutschland? Denn sich untereinander verständigen – das konnten die Jugendlichen nicht ohne eine gemeinsame Sprache. Deutsch lernen sie ja gerade erst. „Weil es beim Theaterspiel möglich ist, ohne Worte zu arbeiten – mit Mimik, Gestik, Tanz – haben wir dieses Projekt für Flüchtlinge ins Leben gerufen“, sagt Sabrina Basdas, Schulsozialarbeiterin am Käthe-Kollwitz-Berufskolleg.

Dieses Projekt ist eine Theatergruppe am Süd-Standort des Kollegs am Nierfeldweg. Eine der fünf Internationalen Förderklassen, die es derzeit an der berufsbildenden Schule gibt, nimmt teil. Das erzieherische Ziel: „Vermittlung gesellschaftlicher Normen und Werte zur kulturellen Eingliederung in Oberhausen“, formuliert es etwas sperrig die Schule in einem Konzeptpapier.

Rund 15 Schüler mit den unterschiedlichsten Erfahrungen und Fluchtgeschichten treffen sich donnerstags ab halb zwei in der Aula. Heute sind es weniger, Badin ist gekommen, Mohammed, Afsaneh, Faezah, Ferhiwod und Shehab.

Wer hat den Keks aus der Dose geklaut?

Noch stehen die jungen Männer und Frauen etwas unbeholfen im Raum herum, es wird gegrinst, geblödelt, die Mädchen schauen schüchtern. Damit alle warm (miteinander) werden, machen die Theaterpädagogen Oliver Kotzem (30) und Katja Eppert (37) ein paar Lockerungsübungen. Eine davon: Alle stellen sich im Kreis auf, in der Mitte steht eine Dose. „Wer hat den Keks aus der Dose geklaut?“, fragt Katja Eppert und zeigt dann auf Badin. Der: „Wer ich?“, die Gruppe: „Ja, Duuh!“ Badin wehrt ab, „Niemals“, alle zusammen rufen: „Wer dann?“ – und Badin muss den nächsten benennen. Die Unsicherheit und Verlegenheit, die Scheu, laut vor den anderen Deutsch zu sprechen, nimmt mit der Zeit deutlich ab, alle haben Spaß.

Im September 2015 ist das Projekt gestartet und vor einigen Wochen hatte die Gruppe ihre erste Aufführung vor der Schulgemeinde. Zum Song „Wild Boys“ von Duran Duran zeigten sie eine Kampf- und Tanz-Choreographie: Eine Horde Jungs stört Mädchen beim Ballspielen. „Aber die Frauen behaupten sich“, so fasst Theaterpädagoge und Stuntman Oliver Kotzem die Inszenierung zusammen, bei der es um Gleichberechtigung und Respekt geht. „Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass überhaupt alle auf die Bühne gehen“, sagt der in Bühnenkampf und Akrobatik ausgebildete Gruppenleiter.

Wegen des Erfolgs ist das zunächst bis Dezember befristete Theaterprojekt bis zum Juni dieses Jahres verlängert worden. Aber woran misst sich der Erfolg? Daran, dass ein Junge, der sich sonst hinter seiner coolen Fassade verschanzt, „sich mal traut zu lächeln und anderen in die Augen zu schauen“, meint Oliver Kotzem. In einer Stellungnahme der Schule heißt es: „Das Klima der Klasse wurde – auch außerhalb der theaterpädagogischen Stunden – wertschätzender und inniger. Eine deutliche, positive Veränderung des Verhaltens bei mehreren Teilnehmern ist festzustellen.“ Bis dahin war und ist es ein langer Weg, wissen der Theaterpädagoge und seine Kollegin Katja Eppert. Es sei „unglaublich anstrengend“, die Gruppe zusammenzuhalten und zu motivieren. Schwer fällt es bei bisher so wenig gemeinsamer Sprachbasis, Regeln zu diskutieren und eben auch das Thema Rollenbilder.

Schüler merken: Sie schaffen es

Also setzen die beiden sowie Sozialarbeiterin Sabrina Basdas aufs Improvisationstheater, auf das Einfühlen in Situationen auf der Bühne und darauf, dass die geflüchteten Schüler merken: „Ich kann das schaffen, ich bin jemand“.

„Sie lernen ohne zu merken, dass sie lernen“, formuliert es Katja Eppert. Und aus den vielen Einzelpersonen mit so unterschiedlicher Herkunft sei es mittlerweile gelungen, ein Team zu formen.