Oberhausen.. Weil der Schlepper sie in Bulgarien aussetzte, droht der syrischen Familie jetzt die Abschiebung aus Deutschland. Lehrer machen sich für ihre Schüler stark.
Der Schlepper hatte versprochen, die syrische Familie bis nach Deutschland zu bringen: Doch dann, in einem Waldgebiet in Bulgarien, warf er alle aus dem Auto – die über 70-jährige Oma, die Mutter, den Vater und die vier minderjährigen Kinder. Und genau das könnte der Familie Khello jetzt zum zweiten Mal zum Verhängnis werden. Weil sie in Bulgarien, wo sie acht Monate interniert gewesen seien, unter Druck einen Asylantrag gestellt hätten, um das Lager verlassen zu dürfen, droht der Familie jetzt hier die Abschiebung: Das so genannte Dublin-Verfahren sieht das so vor.
Tag und Nacht in Angst
Ein Alptraum für die jesidisch-kurdische Familie, die vor Ausgrenzung, Bedrohung und Bürgerkrieg in Syrien floh und seit fast zwei Jahren in Oberhausen lebt: „Jetzt lebe ich wieder Tag und Nacht in Angst. Ich kann nicht mehr schlafen, aus Sorge, dass sie uns holen“, erzählt Ludmela Khello (16), die zusammen mit ihrem Bruder Abdul (14) eine Flüchtlingsklasse am Bertha-von-Suttner-Gymnasium besucht.
Diese Sorge teilen ihre Mitschüler, Schulleiter Michael von Tettau und Klassenlehrerin Anke Höppener: In der Ausländerbehörde im Technischen Rathaus in Sterkrade, wo Monat für Monat die Duldung verlängert werden muss, habe man kürzlich ihr Ausweispapier mit einem roten Strich gekennzeichnet: „Und man hat mir gesagt, dass ich sowieso nach Bulgarien abgeschoben werde“, erzählt die 16-Jährige, die dabei sichtlich um Fassung bemüht ist. Hier bleiben möchte sie und nach der Schule Medizin studieren. Wenn’s dafür nicht reichen sollte, möchte sie Krankenschwester werden. „Ludmela und ihr Bruder sind die Kursbesten, superfleißig, diszipliniert und immer hilfsbereit. Sie könnten in zwei Jahren einen Abschluss machen“, erzählt Klassenlehrerin Anke Höppener. „Das ergibt doch alles keinen Sinn. Jetzt hat man hier zwei Jahre in die Familie investiert, die Unterkunft gestellt, Lehrer bezahlt. Die Kinder mussten bei Null anfangen, um Deutsch zu lernen und erstmal in unserer Schrift alphabetisiert werden. Aber sie sind unglaublich motiviert und haben keinen Test schlechter als mit einer Eins minus absolviert. Und jetzt, wo absehbar ist, dass man die Früchte ernten kann, soll Schluss sein.“
Beispiel für gelungene Integration
An eine Zukunft in Bulgarien mag niemand in der Familie Khello denken: Monatelang sei man dort eingesperrt worden, ohne Zugang zu Sprachkursen, ohne Möglichkeit, Anschluss zu finden. In Oberhausen fühlen sie sich gut aufgehoben: Ludmela ist in der Chor-AG der Schule, Abdul spielt bei Glückauf Sterkrade Fußball, beide besuchen den Jugendclub Courage. „Der Beginn war schwer, aber wir haben ein neues Leben, eine neue Sprache, neue Freunde“, erzählt Ludmela. Schulleiter Michael von Tettau ergänzt: „Das ist wirklich aberwitzig: Unser Auftrag heißt Integrationsarbeit. Hier haben wir ein Beispiel, wie Integration gut gelingt – und das wird torpediert. Das können wir doch nicht unwidersprochen hinnehmen. Da dürfen wir doch nicht weggucken. Da muss die Frage erlaubt sein: Warum? Warum soll diese syrische Familie nicht bleiben dürfen, nur weil ihr Weg über Bulgarien führte? Das ist Unrecht, selbst wenn’s Gesetz ist.“