Oberhausen. Körpergefühl und Fitness sind für den Schauspielerberuf essenziell. Lise Wolle und Thieß Brammer sprechen über Anstrengung und Entspannen.

„Seht Euch an“, meinte Thieß Brammers’ Dozent zum Schluss des Studiums an der Ernst-Busch-Hochschule: „So fit, wie Ihr jetzt ausseht, seht Ihr Euch nie wieder!“ Das ist bei dem 26-jährigen Neuen im Ensemble des Theater Oberhausen erst ein Jahr her. Aber wenn der „Pinocchio“ der aktuellen Spielzeit von der berühmten Berliner Schauspielschule erzählt, denkt man unweigerlich: ein Sportstudium ist nichts dagegen.

Thieß Brammer zählt die Fächer auf: Akrobatik (vom Handstand bis zur Bühnenschlägerei), Bewegung („da wurde viel massiert, sehr angenehm“), Fechten und Bogenschießen („um den Körper zu zentrieren, anspannen und lösen“), Tanz und Aikido („die Energien des Angreifers umwandeln in die eigene Bewegung, das ist auch sehr schauspielerisch“). Einen Stepptanz-Kurs hatte der große Blonde aus Borgwedel an der Schlei noch freiwillig draufgepackt.

Lise Wolle, die bereits als Folkwang-Studentin vor vier Jahren zum Theater Oberhausen kam, erinnert sich an Jazz-Tanz, dreimal wöchentlich: „Das war wirklich witzig.“ Erst war ihre Skepsis groß, „Jane Fonda-mäßig“ zu Pop-Rhythmen abzuzappeln, „aber man lernt wirklich viel“. Folkwangs Schauspielschule sei eben „sehr bewegungsorientiert“. Ihr Jahrgang sei auch der erste in Essen gewesen, für den wieder Ballett zum Fächerkanon zählte. Diesen Disput hatten die Folkwang-Dozenten damit beigelegt: Lehrt Ballett womöglich für Schauspieler „unnatürliche“ Bewegungsabläufe?

Die erstaunliche Non-Stopp-„Alice“

Sport und Bewegung, sagt die 30-Jährige, „brauche ich für mein geistiges Wohlbefinden“. Und ergänzt, den kleinen Noam auf dem Schoß: „Im Moment habe ich mein Fitnessprogramm zu Hause.“ – Körpergefühl und Atmung sei für Schauspieler „immer ein Thema“, sagt Thieß Brammer. „Es ist das einzige Instrument, das wir haben. Je virtuoser man darauf spielen kann, umso besser.“

Im Probenalltag gibt es für den Neuen das leidige Warten auf den Einsatz und „die gute Anstrengung – dann ist man richtig schön ausgepowert“. Eine Anstrengung ist’s immer wieder für Lise Wolle, „die Kräfte einzuteilen, den Marathon zu sehen und nicht den Sprint“. Und mit Marathon ist die gesamte Spielzeit gemeint. Darum sieht sie auch „Alice“, jenes erstaunliche Non-stopp-Bewegungsspiel auf leerer Bühne im Malersaal nicht als ihre anstrengendste Rolle.

Eine immer wieder gehörte Frage verblüfft die fitten Schauspieler: Lässt sich auch das Textlernen lernen? Gibt es das Fach an den Schauspielschulen? „Das mache ich liegend, in Ruheposition“, behauptet Thieß Brammer cool – um sich prompt zu widerlegen: Denn Texte prägen sich viel besser mit den Bewegungen ein, „mit dem Körpergedächtnis“.

„Schiller legt sich mir durch das Versmaß leichter in den Mund“, sagt Lise Wolle, als etwa zeitgenössische Texte. Über das Wie des Textlernens macht sie sich keine Gedanken. Und vor der Aufführung? Da schwört sie auf „zehn Minuten Yoga und Atemübungen, um umschalten zu können vom Alltagskram.“ Thieß Brammer spielt einfach ein bisschen Basketball.