Oberhausen. . Die “Stratosphaere“ an der Klörenstraße öffnete in der Urzeit der Diskotheken. Ohne sie, würde es heute kaum das Druckluft geben. Eine Evolutionsgeschichte.

Am Anfang rauchte der Dampf. Licht- und Nebeleffekte lassen heute kaum jemanden die Kinnlade nach unten fahren. Zur Urzeit der Disco fand man den Rauch und die Lichtkegel als Begleitspielerei noch blendend. Mit einer „Super-Light Show“ machte vor mehr als 35 Jahren auch die „Stratosphaere“ an der Klörenstraße Reklame.

Ein Dinosaurier unter den hiesigen Diskotheken: eigentlich ausgestorben, denn seit Ende der 1980er Jahre ist hier Feierabend – und trotzdem ziemlich lebendig. Dieses Evolutionswunder begleitet Peter Bruckhoff seit Jahrzehnten. Er weiß: Die Stratosphaere war ein wichtiger Ort für die spätere Entwicklung im soziokulturellen Leben der Stadt. Der ehemalige Dauergast hat darum seit zwölf Jahren den Charme des recht schnörkelfreien Tanzclubs konserviert und neu aufgelegt. Bruckhoff: „Dieses ganz besondere Gefühl aus dieser Zeit musste weitergehen.“

Knatternde Mopeds vor der Disco

Sein Rezept ist einfach: Ein erfahrener Discjockey, etliche Gäste von damals und natürlich die passende Musik. Die neue Heimstätte der Stratosphaere ist heutzutage der Kulttempel, direkt neben der Turbinenhalle. „Während andere Veranstalter oft nur noch den bekannten Namen von früher für eine Revivalparty benutzen, ist bei uns vieles authentischer“, meint Bruckhoff. Da komme es schon mal vor, dass die Gäste die alten vergilbten Getränkekarten von damals mitbrachten, die vorher aufgespießt an Pinnwänden hingen. Bruckhoff machte bei den Partys eine Aktion daraus: Für Mitbringer des nostalgischen Altpapiers gab es Rabatt.

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Los ging es mit der Ur-Disco Februar 1977: Eine Zeit, als in der Turbinenhalle Malocher Mittagspause machten und der Begriff Großraumdisco noch nicht im Duden erklärt wurde. Es war der Urknall der modernen Disco-Zeit in Oberhausen. Doch dieser war so gewaltig, dass es programmierten Ärger gab: Nachbarn beklagten sich über die knatternden Mopeds der Jugendlichen. Der Vorwurf damals: Einige Discobesucher sollen sich daneben benommen haben. Briefkästen sollen als Urinal zweckentfremdet worden sein.

Die Folge war ein Disco-Clinch, der dazu führte, dass die „Phaere“ wochentags um 22 Uhr und an den Wochenenden um 24 Uhr die letzte Platte auflegen musste. Zum Vergleich: Das sind Uhrzeiten, zu denen sich heutzutage die Tanzflächen gerade langsam füllen.

Hitzige Diskussion mit „Bürokraten“

Im Dezember 1979 platzte der Jugend der Kragen: Bei eine Diskussionrunde in der Stratosphaere saßen Oberbürgermeister Friedhelm van den Mond, Oberstadtdirektor Dieter Uecker, Kripochef Herbert Köster, Sozialdezernent Hugo Baum, CDU-Bundestagsabgeordneter Heinz-Jürgen Prangenberg und SPD-MdL Heinz Schleußer. Sie stellten sich einer Spontaninitiative aus 400 Jugendlichen, die vorher ausgelobt hatte, den „Bürokraten“ auf den Zahn zu fühlen.

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Der Vorwurf in einer vom damaligen WAZ-Redakteur Michael Schmitz geleiteten Diskussion: „In Oberhausen fehlt ein politisches und kulturelles Angebot für junge Leute!“ Unter den Wortführern der Initiative gab es aber auch Konflikte und die Frage: Geht es denn nun um das kommerzielle Interesse der Disco oder das übergeordnete Ziel eines Jugendzentrums?

Sie diskutierten also heftig damals im Dezember 1979 in der Stratosphaere, letztlich war diese Jugendinitiative aber die Geburtsstunde des heutigen Kulturzentrums Druckluft am Förderturm.

Oberbürgermeister Friedhelm van den Mond (SPD) hatte im Anschluss an die Diskussionsrunde angekündigt, sich mit den jungen Erwachsenen auf die Suche nach einem Raum zu begeben. 1980 bauten 40 junge Leute unmittelbar neben einem stillgelegten Schacht der Zeche Concordia das heutige Druckluft auf. Die Stadt Oberhausen überließ dem Verein „Druckluft e.V.“ das vormals von Babcock genutzte Gelände für die Jugendarbeit. „Der Anfang für das spätere Druckluft ist eine spannende Geschichte aus der Stratosphaere“, sagt Peter Bruckhoff.

Simple Minds spielten in „Phaere“

Während Bruckhoffs Revivalpartys klönen die Besucher von damals nicht selten auch über die Konzerte in der Szene-Diskothek. Zu Gast waren heutige Weltstars, die damals noch am Anfang ihrer Karriere standen. „In den vielen kleinen Clubs traten hin und wieder Bands wie Killing Joke, Simple Minds oder Basement 5 auf“, erinnert sich Peter Bruckhoff. Neben der „Phaere“ in der Innenstadt gab es einen „Zwilling“ in Velbert, wo ebenfalls reichlich New Wave, Funk und Pop aufgelegt wurde.

Musikgenres, die die heutige Disco-Musik maßgeblich beeinflussen. Und noch etwas passt in die Evolution des Diskothekenlebens. Bruckhoff: „DJ Haggi, der früher Stammgast in der Stratosphaere war, ist heute ein erfolgreicher DJ in der Gothic Szene. Seine musikalischen Wurzeln liegen im Sound der Stratosphaere.“

Revival-Party „Stratosphaere“, 19. November, 7 Euro, Kulttempel, Mülheimer Straße 24