Oberhausen. . Das Nebengebäude der Turbinenhalle hat eine bewegte Vergangenheit und ist Pilgerort der Musikszene: Nach dem „Starclub“ und „Saint“ locken nun viele Konzerte und Partys in den Kulttempel. Im September kommt die NDW-Kultband „Extrabreit“ für einen Auftritt vorbei. Ein Porträt.
Peter Jurjahn schaut hastig in die Kühlschränke. Limo, Mischgetränke, Biere — alles noch da. Gleich kommt der Mann mit dem Heizöl. Ein Lkw röhrt schon vor dem Eingang des Kulttempels an der Mülheimer Straße. Jurjahn werkelt gerne an mehreren Baustellen gleichzeitig. In seiner Disco wird zünftig gefeiert. „Doch die Vorbereitung ist das eigentliche Meisterstück“, sagt er. Weiter geht es zur Tür. Für den Tempelchef ist es wieder allerhöchste Eisenbahn.
Von Old Daddy bis Raskalnikov
Der ehemalige Lokschuppen der Turbinenhalle hat seine industrielle Vergangenheit immer bewahrt: Ein massiver Rammbock von damals steht noch im Eingangsbereich und begleitet tanzwütige Discogänger und durchnässte Konzertgänger Woche für Woche.
„Man sollte dankbar sein, wenn man sein Hobby zum Beruf machen kann“, sagt Jurjahn und rührt in einem Kaffeebecher. Um das klingelnde Telefon kümmert sich eine Mitarbeiterin. Trotz der Arbeit an jeder Ecke spricht der 49-Jährige von einer Urgemütlichkeit. Früher schuftete er unter Tage auf Prosper Haniel. Erst als Steiger, als das gesundheitlich nicht mehr ging, arbeitete Jurjahn in der Logistik.
Die Handgriffe im alten Bau gehen leichter von der Hand als im Stollen. Seine Begeisterung für genreübergreifende Klänge ist da hilfreich. Und das in einer Kulisse, in der die heimatlichen Gefühle inklusive sind. „Das ist für mich das Ruhrgebiet“, sagt Peter Jurjahn.
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In den 90er Jahren wurde im Gebäude der Starclub eröffnet, im Februar 2000 folgte der Wandel zum Saint mit einer angestrebten Mischung aus Old Daddy und Raskalnikov. 2011 übernahm Jurjahn das Haus aus einer Zwangsversteigerung und eröffnete den Kulttempel. Mittlerweile sind Geschäfte oder ein erfolgreiches Tonstudio im Gebäude heimisch.
Trotz seiner Liebe zum Revier ist der Kulttempel kein Bergbaumuseum geworden. Kirchenbänke sind im Veranstaltungsraum für rund 600 Besucher aufgebaut. Sakrale Gemälde hängen an der Wand. Die Kulisse der Vorgänger-Disco Saint ist geblieben. Ein großer Reformator wollte Jurjahn hier nicht sein.
Viele Genre vor dem Tanzaltar
Viel hat er gesehen im wuseligen Nachtleben. Zuerst im Old Daddy in Sterkrade, bis 2003 als Betriebsleiter in der Turbinenhalle – Kapitel, mit denen er abgeschlossen hat. Im Kulttempel soll etwas eigenes wachsen. Statt der Großräume, so sagt er, mag er es familiär. Wenn ihm 15 Mitarbeiter bei einem Konzert zur Seite stehen, fühlt er sich wohl.
Schaumpartys, 80er Jahre Tanz, Rock’n’Roll, Gothic oder eine Abi-Feier. Längst drängeln sich die verschiedensten Subkulturen um den Tanzaltar der Diskothek. Das spiegelt nicht unerheblich den Zeitgeist der Nachtlokale wider. „Mit nur einer Szene kann heute keine Disco mehr laufen“, sagt er.
Besondere Konzerte würzen den Alltag. Am 12. September kommt die Neue-Deutsche-Welle-Kultband „Extrabreit“ im Tempel vorbei.