Oberhausen. Ehrenamtler vermitteln rund 70 Asylsuchende in private Wohnungen in ganz Oberhausen. Ab dem 20. März feiern Schmachtendorfer wieder Gottesdienste.

Aus der Evangelischen Kirche an der Kempkenstraße in Schmachtendorf sind nun alle Flüchtlinge ausgezogen. Am 20. März wird hier, wo bis vor ein paar Tagen noch Hochbetten und Stellwände standen, wieder der erste Gottesdienst gefeiert. 70 Personen aus Syrien, Bangladesch, Irak, Iran und Mazedonien haben die ehrenamtlichen Helfer der Gemeinde in private Wohnungen vermittelt. Am Freitag feierten Flüchtlinge, Nachbarn und Ehrenamtliche ein Abschlussfest in der Kirche.

Pfarrer Thomas Levin blickt zufrieden auf das muntere Treiben zwischen Grill, Bierzeltgarnituren und orientalischem Buffet. Ja, er würde es wieder machen, seine Kirche zur Notunterkunft für Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen. „Es war eine Notlösung. Aber immerhin war es die Lösung einer Not“, sagt Pfarrerin Stephanie Züchner über die Zeit von November bis Februar. Die Evangelisch Kirche war die erste im Rheinland, die ihre Pforten für Flüchtlinge öffnete. Züchner bereut die Entscheidung nicht, würde aber beim nächsten Mal versuchen, die Anwohner früher mit ins Boot zu holen. Denn nicht bei allen Nachbarn kam die Idee, die Kirche zur Flüchtlingsunterkunft herzurichten, gut an. Doch kürzlich habe es erneut Gespräche gegeben, in denen Nachbarn zugestanden haben, dass alles ruhig und entspannt abgelaufen sei, bilanziert Pfarrer Levin.

Rund 30 ehrenamtliche Helfer haben sich gefunden, um die Flüchtlinge in der Kirche kontinuierlich zu betreuen. Jeder habe seine Kontakte genutzt, die Ohren offen gehalten, Anrufe getätigt, erläutert Daniela Handwerk, eine Anwohnerin und Ehrenamtliche. Nur so sei es gelungen, die Flüchtlinge – es waren ausschließlich Familien in der Kirche untergebracht – in private Wohnungen zu vermitteln. Anfangs habe es viele Absagen gegeben, doch die Ehrenamtlichen blieben hartnäckig. Eine große Unterstützung seien die Mitarbeiterinnen vom Oberhausener Gebäudemanagement (OGM) gewesen, lobt einer der Flüchtlingsbetreuer, Udo Voss. Hilfreich sei zudem gewesen, dass die Stadt als Mieter aufgetreten sei, sagt Pfarrer Levin. „Wir bekommen immer noch Wohnungen angeboten“, sagt Udo Voss. Die Angebote speise er in das Netzwerk aller Flüchtlingsinitiativen in Oberhausen ein, um so weiteren Asylbewerbern zu helfen.

Jetzt wird die Kirche wieder hergerichtet – mit Hilfe der Flüchtlinge. Am 20. März wird der erste Gottesdienst gefeiert, dann finden alle zwei Sonntage Gottesdienste statt.

Ein Gotteshaus mit Bürgermeister

19 Uhr, die Glocken läuten. An dem Abend, an dem in Syrien die Waffenruhe beginnen soll. In der Evangelischen Kirche in Schmachtendorf liegt am Freitag der Duft von gebratenem Fleisch und von frischem Kaffee in der kühlen Luft, unter dem Kreuz tanzen Mädchen und Jungen, an den Wänden lehnen die Utensilien, die den geflüchteten Menschen einst als Heimat dienten: Matratzen, Bettgestelle und Wände, die einen Hauch von Privatsphäre erzeugen sollten. Die Atmosphäre ist gelöst, überall wird geredet, gelacht, auf Arabisch, auf Englisch, auf Deutsch.

Auch Maher Saleh ist zu dem Abschlussfest an die Kempkenstraße gekommen, dort, wo er seine erste Zuflucht fand, nachdem er seine Heimat Syrien mit seiner Frau und seinen Kindern im Alter von 13, 11 und acht Jahren verlassen hat. Die Stadt, in der die Familie gelebt hat, Zabadani, nordwestlich von Damaskus gelegen, gibt es nicht mehr. In Oberhausen will sich Maher Saleh ein neues Leben aufbauen.

Ab dem ersten Tag seiner Ankunft in dem Schmachtendorfer Gotteshaus kam ihm eine besondere Rolle zu. Er packte an, positionierte gemeinsam mit den ehrenamtlichen Helfern Stellwände, verschob Betten. Und er schlichtete, wenn es Streit gab. Ja, den gab es. Zwischen Kindern, zwischen Erwachsenen, zwischen verschiedenen Nationalitäten. Fortan war Maher Saleh „der Bürgermeister“.

Wohnung in der Fußgängerzone von Sterkrade

Nach rund drei Wochen schon konnte er mit seiner Familie die Kirche verlassen und in eine Wohnung in der Sterkrader Fußgängerzone ziehen. „Ich war zufrieden in der Kirche, wir haben viel Hilfe erhalten“, sagt der Syrer. „Aber jetzt haben wir mehr Privatsphäre. Das ist ein Genuss.“ Er hatte keine Probleme, in der Kirche zu übernachten. Aber, so berichtet Pfarrer Thomas Levin, einer Familie, einer christlichen, war es anfangs unangenehm, in dem Gotteshaus zu schlafen. Es kam ihnen nicht angemessen vor.

Maher Saleh wird noch mehrmals in die Kirche zurückkehren, um das Gotteshaus wieder herzurichten. Einige Wände brauchen einen neuen Anstrich. Und er möchte Deutsch lernen, so schnell wie möglich, damit er sich verständigen und arbeiten kann. Sein Traum: Er möchte ein syrisches Restaurant eröffnen. In Syrien war er Kaufmann, verkaufte Schuhe und Gürtel. Aber er kann auch Fliesen legen, sagt er. In Syrien musste man viele Jobs haben, um über die Runden zu kommen, sagt er.

Die Schmachtendorfer Ehrenamtlichen bleiben weiterhin aktiv, sie haben für die Flüchtlingsfamilien Patenschaften übernommen, begleiten sie bei Behördengängen und Arztbesuchen. „Hier sind Freundschaften entstanden“, sagt Helferin Daniela Handwerk. Und Mohammed Firas Toutouji, Dolmetscher aus Syrien, bestätigt: „Das hier ist meine Familie geworden.“