Oberhausen. An der Elsässer Straße, hinter dem Café Transatlantik, schlummert eines der letzten alten Filmtheater. Europa-Palast war einst das Vorzeigekino.

Noch bevor Thomas Friedhoff das Licht anschaltet, dringt ein Gefühl von Feierlichkeit aus der Dunkelheit dieses Raumes. Der Lichtkegel seiner Taschenlampe tanzt über goldig glänzendes Geländer und schwarz gestrichenes Holz, während der Hausmeister des Europa-Haus-Komplexes an der Elsässer Straße immer tiefer ins Dunkle läuft. Wo dieser Raum genau endet, kann das Auge zwar nur erahnen, doch auch wenn keiner von Friedhoffs Schritten hallt, ist die Größe eines Saals zu spüren. Es ist kühl, bis Friedhoff den richtigen Schalter betätigt und ein gelbliches warmes Licht auf einen der letzten, verborgenen Kinosäle dieser Stadt fällt.

Wem Oberhausen nur mit seiner heutigen Kulisse von gerade einmal drei Kinos vertraut ist, den wird wundern, welch cineastische Vielfalt einst in dieser Stadt blühte. Knapp ein Jahr nach Ende des Zweite Weltkriegs hatte das erste Kino in einer umgebauten Gaststätte in Alt-Oberhausen eröffnet; bis zum Ende des Wirtschaftswunders gab es bis zu 24 Lichtspielhäuser im Stadtgebiet. Nur noch eines von ihnen wird heute betrieben: die 1952 wiedereröffnete Lichtburg.

Der Europa-Palast ist leer

Erhalten geblieben ist aber ein weiterer Saal schräg gegenüber – versteckt hinter dem emsigen Café-Betrieb des Transatlantik und der schweren Tür, für die Friedhoff einen der wenigen Schlüssel hat: der ehemalige Europa-Palast.

Dort hat Friedhoff gerade das Licht angemacht. Er steht an dem Balkon, der sich über die gesamte Raumlänge schwungvoll bis zu den Treppen am anderen Ende des Saals zieht. Die dunkel gestrichenen Ränge sind leer, die Bestuhlung ist längst abgebaut und auch unterhalb des Balkons erstreckt sich zwischen Metallstützen eine schmucklose Holzbühne. Eine Leinwand gibt es zwar ebenfalls nicht mehr, doch reichen Friedhoffs Erzählungen allemal für ein Kopfkino.

1955 eröffnete das Filmtheater in dem neuen Europa-Haus-Komplex, der nach den Entwürfen des Architekten Hans Schwippert als eines der größten privaten Bauvorhaben im Nachkriegs-Deutschland errichtet wurde. Vom „Vorzeigekino“ unter Leitung von Karl Kaiser und Bernhard Rex soll die Lokalpresse angesichts des weiten Raums mit großem, einarmigem Balkon, einem stattlichen Foyer über drei Etagen, 1189 gepolsterten Sitzen und modernster Vorführtechnik geschrieben haben. Filme liefen auf der 12,5 Meter breiten Cinemascope-Leinwand. „Und von der Decke strahlten 600 Glühbirnen hinter Milchglas. Wenn es dunkel wurde, ging der Film los“, erinnert sich Friedhoff. Sonntags sei er oft mit Freunden hergekommen. „1,30 Mark für die Jugendvorstellung um 14 Uhr.“

Star Club eröffnete Ende der 1980er

1985 schloss das Kino, das sich wie viele Häuser nicht mehr im Wettstreit mit anderen Freizeitangeboten und dem Fernsehprogramm behaupten konnte. Dem Europa-Palast kam zugute, dass er eine Bühne hatte: Hier eröffnete Ende der 80er Jahre der legendäre Star Club. Von den gefeierten Live-Auftritten zeugen noch immer Poster, Setlists und Gekritzel an den Wänden in den Backstage-Räumen.

Der Star Club zog bald an die Mülheimer Straße und im Europa-Palast setzten sich die Kreativen des Music Circus Ruhr (MCR) zusammen, die aus dem Kino-Foyer etwas machen wollten. Dort entstand die heutige Café-Bar Transatlantik. Thomas Friedhoff war als Techniker beim MCR involviert – dem Europa-Haus, heute in Besitz eines Frankfurter Unternehmens, blieb er treu.

Der Kinosaal dient heute gelegentlich Kulturschaffenden als Probebühne. Immer mal wieder soll es Interessenten geben, die den Saal nutzen wollten. Doch die Sicherheitsauflagen gelten als hoch.

Wirklich aufgelebt ist der Ort ein bisher letztes Mal im Jahr 2013. Das Theater feierte dort eine Premiere. Für Friedhoff war das ein besonderer Abend: „Da hat man gesehen, was in dem Haus steckt.“