Oberhausen. . Beisitzer Brodrick analysiert die Schwächen seiner Partei mit deutlichen Worten. Zu wenig die Beschäftigten im Blick gehabt. Groschek kachelt gegen CDU.

Als der frisch gewählte neue Parteichef der Oberhausener SPD den Parteitag am Montagabend erst nach drei Stunden schloss, da gab er der Basis noch seine neue Marschrichtung mit: „Wir müssen uns daran gewöhnen, dass Parteitage künftig länger dauern, weil wir uns intensiver mit Inhalten auseinandersetzen“, sagte Dirk Vöpel.

An der teils noch unbeholfen wirkenden Debatte zuvor über die Idee des Ortsvereins Mitte, echte von Bürgern direkt gewählte Seniorenbeiräte (siehe Artikel unten) einzuführen, zeigt sich: Die Arbeit mit der Basis kostet Zeit, Abnicken geht halt schneller.

Ehrliche Rede

Und manchmal ist es auch schmerzlich, einer ehrlichen Rede zu lauschen, wie der von MAN-Turbo-Betriebsrat Helmut Brodrick. „Die CDU hat die Wahl gewonnen, weil wir zu schwach waren. Die gesellschaftliche Verankerung der Partei bröckelt seit Jahren. Ich warne davor, jetzt zu kurz zu springen. Wir müssen uns auf unsere sozialdemokratischen Tugenden besinnen, wir dürfen nicht nur in internen Zirkeln reden, sondern müssen raus in die Stadtquartiere. Wir müssen mehr zuhören als verkünden. Es darf nicht sein, dass wir nicht in der Lage sind, mit den Bürgern zu reden. Wir müssen wieder Ross und Reiter nennen.“

Sinkende Einnahmen

Er erhielt mehr Stimmen als jeder andere Sozialdemokrat in der neuen Oberhausener Führungsspitze der Partei: Olaf Rabsilber, im Hauptberuf Vorstand der Gemeinnützige Wohnungsgenossenschaft Oberhausen-Sterkrade und Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Oberhausener Wohnungsgenossenschaften, wurde mit 159 Ja-Stimmen und nur einer Nein-Stimme in seinem Amt als Schatzmeister der SPD Oberhausen bestätigt. Dabei hatte Rabsilber den Delegierten Unangenehmes zu verkünden: Der Partei geht es finanziell nicht mehr gut. „2016 müssen wir uns mit unserer Finanzstruktur auseinandersetzen“, kündigte er vorsichtig die Tatsache an, dass die SPD den Gürtel enger schnallen muss. Denn: „Zwei intensive Wahlkämpfe“ hätten auch finanziell Kraft gekostet, zugleich sänken die Einnahmen. So verzeichnet die SPD weniger Mitglieder (nur noch 1640), die auch noch einen relativ niedrigen Durchschnittsbeitrag von 10,83 Euro aufbringen, weniger Mandatsträger mit geringeren Extra-Zuwendungen an die Partei und: „Spenden sind nicht mehr so einfach einzuwerben“, stellt Rabsilber fest. Diesen finanziellen Herausforderungen müsse sich die SPD stellen. Rabsilber ist seit 2014 Schatzmeister der SPD, nachdem Ralf Katernberg überraschend verstorben war.

Als Gewerkschafter stuft er als eine Ursache für die Stimmenverluste der SPD die nur noch mangelhafte Zuwendung zu den Arbeitnehmern ein. Ob in Oberhausen das Schicksal der XXXL-Rück-Arbeitnehmer oder der Bilfinger-Belegschaft – „wir müssen mehr Präsenz zeigen, wir müssen gemeinsam mit den Kollegen politische Lösungen erarbeiten.“ Brodrick erhielt anschließend die meisten Stimmen aller gewählten Beisitzer.

Die SPD — und die Beschäftigten: Auch Ex-SPD-Chef, Ex-Generalsekretär der NRW-SPD und jetziger Bauminister Michael Groschek sieht, dass die SPD hier ein Problem hat. „Wir sind die Partei der Arbeit, der arbeitenden Menschen“, beteuert er lautstark, was viele Menschen seit der Agenda 2010 nicht mehr als selbstverständlich betrachten. Die Politik dürfe bei Fehlentwicklungen nicht ohnmächtig wirken. Bei zahllosen Beschäftigten seien die Nettolöhne in den vergangenen Jahren gesunken; die Hälfte aller Arbeitnehmer hätten erlebt, wie tarifliche Sicherheit durch Ausgliederungen gegen große Unsicherheit der Arbeitsbedingungen getauscht wurden.

Handlungsbedarf sieht Groschek auch durch den Wegzug der Oxea-Zentrale von Oberhausen ins rheinländische Monheim mit niedrigen Gewerbesteuersätzen: „Die Steuerfluchtoase in NRW muss ausgetrocknet werden.“

Groschek kachelt gegen CDU

Bei aller Einsicht in Probleme, die die SPD zum Teil mitverursacht hat, vergaß Groschek in seiner Abschiedsrede als Parteichef nicht, gegen den Gegner zu kacheln – vor allem gegen den einstigen RWO-Fußballer, bisherigen CDU-Fraktionsgeschäftsführer und jetzigen Oberbürgermeister-Sprecher Hannes Fritsche. „Es gibt einen schwarzen Block in unserer Stadt, angeführt von einem früheren Linksaußen, der jetzt Rechtsaußen spielt.“ Er unterstellt dem Vertrauten des neuen OB Gehässigkeit und verletzte Eitelkeit. „Er hat die politische Atmosphäre in unserer Stadt vergiftet und wurde jetzt Propagandaminister im Rathaus.“

Die 168 Delegierten des Unterbezirksparteitages der SPD Oberhausen wählten auch die Beisitzer der Führungsspitze ihrer Partei neu. Zu den Beisitzern, die den geschäftsführenden Vorstand (Vorsitzender, zwei Stellvertreter und Schatzmeister) ergänzen, gehören nun: Helmut Brodrick (136 Ja-Stimmen), Kai Wesely (132), Maximilian Janetzki (127), Sandra Jungmaier (123), Imke Halbauer (121) , Thomas Schicktanz (116), Andreas Schröder (112), Gudrun Lange (111), Jochen Richter (108), Yannah Werner (106), Ursula Dorroch (101), Anja Schröer (97) und René Pascheberg (91). Damit sind alle angetretenen Kandidaten als Beisitzer gewählt.