Oberhausen. . Dominic Schmitz war acht Jahre lang Salafist, missionierte in seiner Stadt und auf Youtube. Heute erzählt der Aussteiger seine Geschichte in Schulen.

Man muss sich Dominic Schmitz gar nicht erst als ungeliebten und orientierungslosen Jugendlichen auf Sinnsuche vorstellen – er beschreibt sich durchaus selbst so. „Nur zuhause gesessen, gekifft und über den Sinn des Lebens gegrübelt.“ „Es war eine Rebellion.“ „Ich habe wenig nachgedacht.“ Zwei Lehrerinnen im Klassenraum, 45 Schüler. Und Schmitz, der frühere Salafist.

2005 fand er zu den Salafisten. „Sie nehmen jeden offen auf, egal, wer man ist.“ „Sie geben Halt und Struktur. Du weißt, was du zu sagen hast, wenn du aufstehst, und du weißt, was du zu sagen hast, wenn du dich hinlegst.“

„Du lebst danach, was irgendwelche Prediger auf Youtube sagen“

„Sie haben auf alles eine einfache Antwort. Wo andere Bücher schreiben, haben Salafisten einen Satz.“ Fünf Jahre fand er das gut und überschwemmte seine Kleinstadt in bester Absicht mit Missionierungs-DVDs und -Handzetteln, „weil ich die Wahrheit, die ich gefunden hatte, mit allen teilen wollte.“ Er pilgert, er predigt, wird mit einer Frau verheiratet, die er zuvor ganze 20 Minuten sah. Bis ihm nach Jahren aufgeht, dass er doch nur in einer Art Faschismus gelandet war. „Im Endeffekt darfst du nicht denken.“

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Vom Flur dringt gerade fröhliches Pausenleben laut in Raum N006: Kinder rufen, Türen knallen, Rennen, Lachen und Geschrei. Doch hier drin ist es still, wo Jugendliche sitzen, die doch selbst im allerlautesten Alter sind: eine neunte und eine zehnte Klasse der Fasia-Jansen-Gesamtschule in Oberhausen. Vor ihnen, hinterm Lehrertisch, sitzt Schmitz (28), hat die Beine übereinander geschlagen. Kein Blender, eher ein ruhiger Mensch, dabei offen und präzise. Einer, der erkannt hat, das fast nichts auf der Welt schwarz oder weiß ist. Für Fundamentalismus aller Art ist man dann verloren.

Die Ehe ist dann auch vorbei

2010 kamen also Zweifel auf in seinem gut sortierten Weltbild: Was der Jugendliche Schmitz noch als Halt empfunden hatte, wurde dem Erwachsenen zum Gefängnis. Die Art, wie seine salafistischen Freunde die Menschen nach ihrer Religion einteilten in Gute und Feinde. „Du lebst danach, was irgendwelche Prediger auf Youtube sagen.“ Während er in seinen eigenen Youtube-Predigten Zwischentöne fand, verschwanden sie zusehends in seinem Umfeld. Jahrelang hatte er ein Machtgefühl genossen, wenn er mit Bart, Gewand und Turban durch die Stadt lief: „Jeder guckt dich an, wirklich jeder.“ Doch zuletzt stellt er sich vor einen Spiegel, erblickt einen Salafisten und zieht sich um. Das war 2013. Die Ehe ist dann auch vorbei.

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45 Jugendliche haben 32 Fragen. Warum Salafisten besonders streng seien? „Wir wollten einfach alles richtig machen. Nicht irgendwie ins Paradies, sondern auf die höchste der 99 Stufen.“ Was er von Schleiern halte? „Manche Salafisten sagen sogar, man darf die Frau auch nicht hören. Sie darf dann nicht ans Telefon gehen, das könnte schon eine Versuchung sein.“ Was man tun könne? „Es haben schon Imame Jugendliche gestoppt, die praktisch im Flugzeug zum IS saßen. Das schafft keine Polizei, kein Vater. Das schafft nur einer, der religiös argumentieren kann: Gott hat das gesagt und er hat das so gemeint.“ Ob er bedroht werde? Ja. Ja, auch mit dem Tod. „Das hängt von dem ab, was ich selbst mache. Wenn mir ein einziger Salafist schreibt: ,Sie haben mein Bild vom Islam verändert’, dann habe ich schon gewonnen.“

Schmitz bleibt Moslem

Schmitz geht nicht mehr in seine alte Moschee: immer mal wieder ein schiefer Blick oder ein Mensch, der nicht zurück grüßt. Moslem bleibt er. Auch ohne fünf Gebete am Tag. „Irgendwann war das ein Automatismus. Mein Herz war nicht dabei, das ist nicht mein Verständnis von Gebet.“ Zwei Stunden geht das so. Dann: 45 Jugendliche beklatschen Dominic Schmitz.