Oberhausen. . Beim fünften Ärztetag ging es um die Patienten-Selbsthilfe. Fünf Experten diskutierten über Möglichkeiten und Grenzen.

Sie sind aus der Nachsorge von schweren, auch chronischen Krankheiten und der Betreuung der Angehörigen von Erkrankten nicht mehr wegzudenken: die Selbsthilfegruppen. Am Samstag hat die Kreisstelle Oberhausen der Ärztekammer Nordrhein ihnen den fünften Ärztetag gewidmet. Anderthalb Stunden lang diskutierten fünf Experten ihre Erfahrungen.

Zu Beginn gab Peter Jötten eine Einführung in das Thema. Er leitet die Selbsthilfe-Kontaktstelle des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes in Oberhausen. Sie ist eine von 37 Stellen in Nordrhein-Westfalen, die Kranken und ihren Angehörigen dabei behilflich sind, eine passende Selbsthilfegruppe zu finden. Daneben stellt sie Verbindungen zwischen Selbsthilfegruppen her und hilft dabei, neue zu gründen.

Grenzen ärztlicher Betreuung

„Selbsthilfe ersetzt keine medizinische Hilfe. Sie hat keine professionelle Leitung. Aber sie ist eine wertvolle Hilfe auf dem Weg, die eigene Krankheit zu meistern“, erklärte Jötten den rund 80 Teilnehmern des Ärztetages in der Medikon-Akademie am Max-Planck-Ring. Dort nehme man den Betreffenden in den Arm, könne er seine Einsamkeit überwinden, der eigenen Kraft nachspüren und wieder Freude am Leben gewinnen. Entsprechend kämen täglich Anfragen von Kranken an die Kontaktstelle. Jüngst habe man die landesweit erst vierte Gruppe für Betroffene von Lympherkrankungen gegründet.

Die Selbsthilfe-Kontaktstelle Oberhausen

Die Selbsthilfe-Kontaktstelle Ober­hausen hat ihren Sitz am Altmarkt 1. Sie ist dort unter 3019620 erreichbar.

Gegründet wurde sie 1999. Vor ihrer Gründung, im Jahre 1995, waren in Oberhausen 35 Selbsthilfegruppen bekannt. Heute sind es 120. Über das Internet hat die Kontaktstelle aber Zugang zu 9000 Selbsthilfegruppen in NRW.

Finanziert wird die Kontaktstelle zu 37 Prozent vom Paritätischen Wohlfahrtsverband, zu 29 Prozent von den Krankenkassen, zu 24 Prozent von der Stadt und zu zehn Prozent vom Land.

„Die wissen, wie man drauf ist“, bestätigte auch ein Betroffener dem Ärztetag. Der Witwer hat jahrelang seine schwerkranke Frau gepflegt. „Es ist eine große Hilfe, wenn man sich aussprechen kann“, erklärte er den Zuhörern.

„Der Informationsbedarf der Patienten ist sehr groß“, stellte der Liricher Allgemeinmediziner Mahmoud Maysami fest. Wenn es dabei um soziale oder rechtliche Belange gehe, könnten die Ärzte das gar nicht leisten. Allerdings beklagte er im Verlauf der Diskussion, es gebe zu wenige Rückmeldungen von Patienten, wie es ihnen in der Selbsthilfegruppe ergangen sei.

Hans-Gerd Frank, der Vertreter der Krankenkassen, informierte, dass sich die Ausgaben der Versicherungen für die Selbsthilfe auf 62 Cent je Versichertem belaufen - bei jährlichen Gesamtausgaben von 2800 Euro pro Kopf. Dabei könne gelungene Selbsthilfe bei Burnout-Patienten sogar kostspielige Klinikaufenthalte vermeiden helfen, gab Peter Jötten zu bedenken.

Konkurrenz für Pflegedienste

Dr. Joachim Opp hat es als Leiter des Sozialpädiatrischen Zentrums am Evangelischen Krankenhaus Oberhausen (EKO) oft mit sehr seltenen Krankheiten bei Kindern zu tun. Er räumte ein, auf Internetseiten von Selbsthilfegruppen schon selbst wertvolle Informationen gefunden zu haben. „Ich kann ja auch nicht Spezialist für jede Krankheit sein.“ Medizinischen Laien empfahl er dagegen die Internet-Recherche nach Krankheiten nicht. So bringe die Darstellung von untypisch negativen Krankheitsverläufen den Betroffenen wenig.

Problematisch wird es nach Einschätzung von Sabine Schindler-Marlow von der Ärztekammer, wenn Grenzen überschritten würden und sich Selbsthilfegruppen zum Beispiel für die Erprobung neuer Medikamente stark machen würden.

Dass solche Gruppen sogar Pflegediensten Konkurrenz machen würden, wies Angelika Krieteme­yer vom Gesprächskreis für pflegende Angehörige zurück. Aber wenn Angehörige erst die Scheu überwunden hätten, eine solche Gruppe zu besuchen, würden die meisten es später nicht bereuen, zumal es auch fachlich nützliche Informationen gebe.