Oberhausen. „Kohlhaas gegen den Rest der Welt“ überzeugt, wenn das Spiel bei Kleist bleibt. Vor allem als Chor wirken die Laien-Schauspielerinnen eindringlich.

Wie niedlich, Steckenpferde. Doch das ist nur ein kleiner, wenn man so will, Verfremdungseffekt in dieser Kohlhaas-Inszenierung im Malersaal. Schließlich sind die guten Rösser des Pferdehändlers der Ausgangspunkt einer Kettenreaktion von Gewalt und Gegengewalt.

An Heinrich von Kleists „Michael Kohlhaas“ haben vor allem Juristen Feder und Tastatur gewetzt. Dramatische Bearbeitungen dieses hochdramatischen Stoffes sind gar nicht so häufig – aber plötzlich wieder da. Yael Ronens „Kohlhaas-Prinzip“ ist eine aktuelle Uraufführung am Berliner Gorki-Theater. Und Oberhausens passend zur Produktion benannter „Club der wütenden Bürger“ um Regisseurin Michaela Kuczinna schuf jetzt einen „Kohlhaas gegen den Rest der Welt“.

Die Kostüme verweisen, streng stilisiert allerdings, auf bürgerliche Tracht des 16. Jahrhunderts. Die kleine Bühne im Malersaal begrenzt ein Halbkreis aus hohen Papierbahnen. Die fünf Schauspielerinnen des „Clubs“ schreiben darauf ein Saldo des Kohlhaas’schen Lebens: von „1 Hof, 1 Gewerbe“ bis zu „5 Kinder“ – und natürlich die Pferde. Zum Schluss einer knappen Stunde sind einzig die „Kinder“ nicht mit dem Filzstift durchgestrichen.

Kohlhaas als Gedanken-Spiel

Der „Club“, das Laien-Ensemble unter professioneller Anleitung, zeigt seinen Kohlhaas als Gedanken-Spiel. Es überzeugt am eindringlichsten, wenn es dran bleibt an Kleists Novelle nach einer historischen Episode aus der Lutherzeit. Es überzeugt, auch und gerade mit Steckenpferden an der Zollschranke und mit Stöcken als Waffen. Gerade mit ihrer leisen Stimme lässt Doris Jones Dickerson den noch mühsam gebändigten Zorn jenes Kohlhaas nachspüren, der noch an sein Recht glaubt – und dass ihm Recht gegeben wird.

Doch „Kohlhaas“ ist in diesem Debatten-gleichen Spiel auch oft der Chor der fünf Frauen – ebenso wie seine um Mäßigung flehende Frau Lisbeth. Wie die Fünf sich als Phalanx nach vorne schieben, sich im verzweifelten Plädoyer für Vernunft – und für die Liebe zur Familie – abwechseln: Das ist schon gut überlegt und mit drängender Wirkung eingerichtet.

„Es soll Gerechtigkeit geschehen, und gehe auch die Welt daran zugrunde.“ So drängte Kleist das „Kohlhaas-Prinzip“ in einen Satz. Ein Idealist? Ein Terrorist? Einer, der zum Terroristen gemacht wurde? Der „Club der wütenden Bürger“ sucht Entsprechungen in der Gegenwart – doch diese wirken allzu beliebig. Die Frauen erinnern an die Amokläufe an US-Schulen und Hochschulen – doch warum sollten diese Täter Kohlhaas sein? Welche Obrigkeit hätte sie bis zum Gewaltexzess schikaniert?

Auch die „demokratische Abstimmung“ mit einem Teil des Publikums war alles andere als eine Aha-Effekt. Viel mehr machte der „Club“ aus der kleinen Szene, in der Kohlhaas und Martin Luther einander treffen: das heiße Verlangen nach Gerechtigkeit gegen kaltes Kalkül. So zwingt dieser „Kohlhaas gegen den Rest der Welt“ nachzudenken.