Oberhausen. Katja Kohlhaas und Bettina Hütter wachen bei der Stadt über den Datenschutz. Sie sind gefragte Ratgeber – haben aber nicht immer einen leichten Stand .

Um zu Katja Kohlhaas und Bettina Hütter zu gelangen, muss der Besucher im Aufzug des Rathauses den obersten Knopf drücken – sechste Etage. Von dort bietet sich ein schöner Blick über die Stadt, aber der rege Verwaltungsbetrieb spielt sich weiter unten ab. Hat man die Datenschutzbeauftragten in den einsamen Turm verbannt? Nein, sagen die beiden und lachen. Sonderlich beliebtheitsfördernd ist ihre Rolle allerdings nicht. Zwar stehen sie vor allem als interne Ratgeber zur Verfügung, manchmal müssen sie ihren Kollegen bei der Stadtverwaltung aber auch Grenzen aufzeigen.

Wider die Sammelwut

„Wir achten zum Beispiel darauf, dass nicht mehr Daten von Bürgern erhoben werden als nötig“, sagt Katja Kohlhaas. Die 35-Jährige ist Justiziarin bei der Stadt und hat das Amt der Datenschutzbeauftragten neben ihrer eigentlichen Tätigkeit übernommen – so wie ihre Stellvertreterin, die Verwaltungswirtin Bettina Hütter (47). Die Stadt benötigt von ihren Bürgern vielerlei Daten, gerade im Sozial- oder Gesundheitsbereich kann das sensibel sein. Wo Mitarbeiter – vielleicht mit guter Absicht – mehr Informationen sammeln als nötig, schreiten Hütter und Kohlhaas ein. „Es dürfen nur jene Daten erhoben werden, die man gerade braucht.“

Eine Frage des Prinzips also – auch wenn man sich beim Pochen darauf in die Gefahr begibt, als Prinzipienreiter zu gelten. Um Konflikten vorzubeugen, verzichten Kohlhaas und Hütter auf den erhobenen Zeigefinger und sorgen für Aufklärung. Sie organisieren Schulungen und werben um Verständnis. „Wir machen immer wieder den Grundgedanken deutlich, der dahinter steht“, so Kohlhaas. „Der Bürger muss sich darauf verlassen können, dass wir mit seinen Daten verantwortungsbewusst umgehen und sie nicht morgen Stadtgespräch sind. Letztlich ist das eine vertrauensbildende Maßnahme.“

Doch Kohlhaas und Hütter schützen nicht nur die Daten der Bürger, sie sind auch die Datenschutzanwälte ihrer Kollegen. Als der Personaldezernent jüngst ermitteln wollte, wie viele der städtischen Mitarbeiter einen Migrationshintergrund haben – um bei den Bemühungen um mehr Vielfalt in der Verwaltung darauf aufbauen zu können – machten ihm die Datenschutzbeauftragten einen Strich durch die Rechnung. Eine solche Erhebung sei rechtlich nicht zulässig, auch nicht auf freiwilliger Basis.

Informationsfreiheitsgesetz

Neben ihrer Wächterfunktion sind Hütter und Kohlhaas gefragte Ratgeberinnen, wenn Mitarbeiter der Stadt sich unsicher fühlen. Seit der Einführung des Informationsfreiheitsgesetzes 2006 haben Bürger einen grundsätzlichen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. „Der Bürger hat das Recht, alles zu erfragen, ohne dies begründen zu müssen“, sagt Bettina Hütter – und die Oberhausener nutzen dieses Recht. Sie fragen nach Bauplänen, den Ergebnissen von Schadstoffmessungen in Schulen, der Höhe der Förderung für den Sportverein. Bei den zuständigen Stellen im Rathaus führt das mitunter zu Verunsicherung. Dürfen wir diese Daten preisgeben? Gilt das Informationsfreiheitsgesetz unter allen Umständen? Was ist, wenn das Recht auf informationelle Selbstbestimmung anderer tangiert wird? Hier stehen Hütter und Kohlhaas als Ansprechpartner bereit. „Wir sind die Stelle für Zweifelsfragen.“

Klingt nach viel Arbeit für einen „Nebenjob“ – oder? Erhöht hat sich das Aufkommen an datenschutzrechtlichen Fragen eigentlich nicht, sagen Hütter und Kohlhaas, aber die Art der Problemstellungen ändere sich, vor allem durch die technische Entwicklung. „Früher musste man Akten und Karteikarten im Blick haben“, sagt Kohlhaas, „heute läuft alles über den Computer, da werden automatisch mehr Daten gesammelt“.

Klar also, dass Hütter und Kohlhaas einbezogen werden müssen, wenn die Verwaltung eine neue Software anschafft oder ihre Systeme im Sinne der interkommunalen Zusammenarbeit gar mit anderen Städten zusammenschließt, wie etwa bei der gemeinsamen Beihilfe-stelle für Oberhausen, Mülheim, Duisburg und Essen.

Auch persönlich sensibilisiert

Der Job als Datenschutzbeauftragte habe sie auch persönlich noch stärker sensibilisiert, sagt Kohlhaas – Beispiel Kundenkarten. „Warum muss der eine Laden wissen, wo ich sonst noch einkaufe?“ Gibt es eine zunehmende Arglosigkeit im alltäglichen Umgang mit Daten? Vielleicht, sagt Kohlhaas, der auch auffiel, wie wenig Widerspruch die jüngste Volkszählung hervorrief. Die Installierung von Datenschutzbeauftragten war eine der Folgen aus der Diskussion um den Zensus 1983. 2011 wurden wieder Daten gesammelt. Proteste? Fehlanzeige. „Ich hatte einen einzigen Anruf.“

Info: Die Bestellung eines Datenschutzbeauftragten und eines Stellvertreters ist für die Stadt Pflicht – wie für alle öffentlichen Stellen, die „personenbezogenen Daten verarbeiten“. So steht es im Landesdatenschutzgesetz. Die Beauftragten sind weisungsungebunden und zur Verschwiegenheit verpflichtet, wenn sie ins Vertrauen gezogen werden. Die städtischen Tochtergesellschaften haben ihre eigenen Datenschutzbeauftragten, zudem gibt es einen Beauftragten für die Oberhausener Schulen.