Oberhausen. Freundeskreis „Theater für Oberhausen“ prämiert Regisseur Andriy Zholdak. Weitere Preise ans „Atmen“-Paar Laura Angelina Palacios und Moritz Peschke.
Ganz leicht war’s sicher nicht, nach zwei Stunden pythonesken Klamauks – mit lässig eingesprenkelten Ausblicken auf die gerade eröffnete Spielzeit – nun ruckartig umzuschalten auf hohe Kunst. Schließlich war die „Schall und Rausch-Sondersendung“ zum Ausklang des Theaterfestes ein echtes Novum: Bastian Kabuth briet Bratwürste inmitten eines herzallerliebsten Plunder-Sammelsuriums und ertränkte sie in Ketchup. Der streng pomadisierte Martin Müller-Reisinger lästerte über jeden außer Peter Carp und Susanne Burkhard öffnete Getränkedosen für die Gäste und sang berückend schön.
Der Wahnsinn des 20. Jahrhunderts
Von Dada und Gaga zum Oberhausener Theaterpreis gab’s dann aber doch eine aparte Überleitung: „Je t’aime – moi non plus“, ganz zum Schluss von Lise Wolle und Jürgen Sarkiss mit lustvoll-schwerem Atem in ein Mikrofon geseufzt, könnte man ja auch als Liebeserklärung ans Theater verstehen? Wenn denn Theater immer so sexy wäre.
„Die Verwandlung“ nach der Erzählung von Franz Kafka hat definitiv andere, dunkel-visionäre Qualitäten. „Näher kann ein einzelner Theaterabend dem mörderischen Wahnsinn des 20. Jahrhunderts nicht kommen“, schrieb der Juror und freie Autor Sascha Westphal. Er begründete so den 1. Preis für Bühnenfassung, Regie und Bühnenbild – für das Werk von Andriy Zholdak.
Zwei weitere Preisträger, von Laudator Gerd Lepges auf der Bühne versammelt, verdanken ihre Auszeichnung jener „Verwandlung“, in der nicht der arme Gregor Samsa zum Monstrum mutiert, sondern seine Mitmenschen vertieren: Moritz Peschke als 2. Preisträger und Samsa „bleibt glaubwürdig menschlich und hält damit diese ungewöhnliche Aufführung zusammen“, so die Jury. Und Pascal Nöldner verdiente sich als Händels „Ombra mai fu“ singender SS-Mann (und Samsas Schwager) den Günther Büch-Nachwuchspreis.
Im Riff-Gewitter von „Paranoid“
Bastian Kabuth, wenige Viertelstündchen zuvor noch der Watschenmann im teils hochtourigen Schlagabtausch der „Schall und Rausch“-Revue, durfte stolz sein auf seine Inszenierung von „Atmen“. Denn Duncan Macmillans intensives Kammerspiel sorgte ebenfalls für den zweiten Preis an den schon genannten Moritz Peschke – und für den 3. Preis an Laura Angelina Palacios. Die 28-Jährige, 2014 noch frisch von der Schauspielschule, hatte in ihrem ersten Jahr am Will-Quadflieg-Platz bereits in sechs Produktionen mitgewirkt. Den 3. Preis erhält sie ausdrücklich auch für ihre Rolle als „Käthchen von Heilbronn“. WAZ / NRZ-Autor Arnold Hohmann schrieb namens der Jury: „So sanft und anmutig wie in Bram Jansens Inszenierung, so lauter und würdevoll hat man Kleists Katharina lange nicht mehr gesehen.“
Last, not least der Publikumspreis, mit 2000 Euro dotiert von der Kultur-Stiftung der Stadtsparkasse: Er geht an Jürgen Sarkiss, der während der Spielzeit-Preview nicht nur den jüngeren Gainsbourg gab, sondern auch an der Seite von Peter Engelhardt für das Riff-Gewitter von „Paranoid“ sorgte – ein von dichtem Bühnennebel umwölkter Vorgeschmack auf die anstehende Wieder-Aufführung von Frank Goosens „So viel Zeit“.