Oberhausen. . Ministerpräsidentin ist Gast bei „Postos Bahnhof“ in Oberhausen.NRW-SPD-Chefin gewährte auch ganz private Einblicke.

Bei der gestrigen Runde der Wahlkampfveranstaltung „Postos Bahnhof“ ist der Andrang im Bahnhofsturm so groß, dass die Veranstalter die Türen schließen. Kein Wunder, Apostolos Tsalastras, SPD-Kandidat für das Oberbürgermeisteramt, plauderte diesmal mit der Ministerpräsidentin und Vorsitzenden der nordrhein-westfälischen SPD.

Für Hannelore Kraft, die sichtlich entspannt anreist, fast ein Heimspiel. Die Mülheimerin ist regelmäßig in Oberhausen. „Ich bin hier sportlich unterwegs“, verrät sie. Trotz der gemütlichen Atmosphäre, das Thema, um das der Abend kreist, ist ernst: „Kein Kind zurücklassen!“ ist ein Modellprojekt der Landesregierung und liegt Kraft am Herzen. Sie weiß: „Die Weichen werden früh gestellt.“ Kraft stammt selbst aus einer Arbeiterfamilie. „Von meinen 36 Cousins und 37 Cousinen haben es nur zwei geschafft, Abitur zu machen und zu studieren“, erzählt die Ministerpräsidentin. Eine davon sei sie. Eine möglichst frühe Förderung verhindere, dass Kinder auf der Strecke blieben.

„Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz, Sprachförderung, Sicherung der Schulsozialarbeit durch das Land – wir sind auf einem guten Weg“, meint Tsalastras. Aber noch immer mache jedes fünfte Kind keinen Schulabschluss oder keine Ausbildung. Das Landesprojekt „Kein Abschluss ohne Anschluss“ will Abhilfe schaffen. „Mit Praktika, damit die Kinder erfahren, welche Berufe es gibt“, führt Kraft aus. Tsalastras ergänzt: „Auch Oberhausen wird weitere Modelle auflegen.“ So sollen etwa Schulabbrecher besonders begleitet werden.

Wie Tsalastras und Kraft zu den Verdi-Forderungen stehen, Erzieher besser zu bezahlen, will Zuhörerin Lisa Koch wissen. Schließlich drücke sich Anerkennung durch eine angemessene Vergütung aus. Damit dürfte sie den Erzieherinnen aus der Seele gesprochen haben, die vor der Eingangstür auf ihr Anliegen aufmerksam machten.

Müllgebühren sollen noch in diesem Jahr erstattet werden

„Das ist Sache der Kommunen“, gibt Kraft den Ball an Tsalastras weiter. Immerhin habe das Land bereits den Betreuungsschlüssel verbessert. Der OB-Kandidat bezieht verhalten Stellung: „Eine Gehaltssteigerung würde uns zwar schwer belasten, aber auch ich meine, dass sich Anerkennung im Gehalt ausdrückt.“

Zuhörer Reinhard Ziemer fordert: „Es muss mehr für behinderte Kinder getan werden.“ Ein inklusiver Unterricht sei das eine. „Aber was nützt das, wenn die Kinder später keine Arbeit bekommen?“ Tsalastras: „Als Stadt wollen wir vorangehen und in der Verwaltung entsprechende Stellen schaffen.“

Über das „Ammenmärchen, in Hartz IV falle nur, wer schlecht ausgebildet ist“, beschwert sich ein anderer Zuhörer. Er sei studierter Ökonom und seit Jahren arbeitslos. „In der Flüchtlingsarbeit benötigen wir Menschen, die gut organisieren können, ich komme später zu ihnen“, verspricht die Ministerpräsidentin.

Wann die Stadt endlich die zu viel gezahlten Müllgebühren erstatte, will ein anderer Gast wissen. „Für die Jahre 2012/13 noch in diesem Jahr“, versichert Tsalastras. Die Höhe werde derzeit von der Prüfungsstelle ermittelt.

Und Martin Frericks, stellv. Betriebsratsvorsitzender bei MAN, beschwert sich über Unterrichtausfälle an den Berufsschulen. Kraft räumt ein: „Wir würden gerne mehr Lehrer einstellen, aber wir finden keine.“ Regionale Kompetenzzentren könnten eine Lösung sein, schlägt Frericks vor. „Wir werden das aufgreifen“, sagt Kraft noch, bevor sie sich vom Podium durch die Menge quetscht, um das Gespräch mit dem Hartz-IV-Empfänger zu suchen.