Oberhausen. . Projektleiterin Nazan Aynur ist mit dem Wünschewagen des ASB unterwegs. Sie möchte Sterbenskranken einen letzten Glücksmoment verschaffen.
Noch einmal auf die Insel Borkum fahren. Ein Mal noch den Wellen vom Strand aus zusehen, wie sie sich am Ufer brechen – das wünschte sich eine 40-Jährige Mutter mit ihrer kleinen Tochter zu erleben. An sich kein unerfüllbar scheinender Wunsch. Doch für die 40-Jährige ist das wohl die letzte Reise. Eine, die sie aus eigener Kraft nicht unternehmen könnte, denn sie leidet an einer unheilbaren Krankheit im Endstadium. Die Mutter möchte aber noch einmal hinaus in die Welt, noch einmal frische Luft atmen – und Nazan Aynur macht dies mit dem Wünschewagen-Projekt des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) möglich. Mit ihrem Team aus ehrenamtlichen Helfern erfüllt sie schwerkranken oder hochbetagten Menschen ihre letzten Wünsche. Beim Frühstückstreff des Ambulanten Hospizes stellte sie das Projekt vor.
Noch einmal ins Fußball-Stadion
Ob große oder kleine Wünsche – das spielt für das Team des Wagens keine Rolle. Alles was zählt ist, dass dieser Wunsch geäußert wird. Manchmal kommen die Anliegen von den Angehörigen, vom Pflegepersonal und manchmal von den schwerkranken Menschen selber, wenn sie noch in der Lage dazu sind. Ein älterer Herr wünschte sich so noch einmal zu seinem Lieblingsfußballverein, Borussia Mönchengladbach, zu fahren. Noch einmal im Stadion mit dabei sein. Einfach auch mal was anderes sehen. Für das Team des Wünschewagens beginnt dann die Organisation. Wichtig ist aber vor allem, dass der behandelnde Arzt sein Einverständnis gibt. Ist diese Hürde genommen, steht dem letzten Wunsch nichts mehr im Weg. So konnten die Projektleiter in dem Fall des älteren Mannes nicht nur einen Stadion- sondern auch einen Trainingsbesuch organisieren. Außerdem hatte er die Chance, Mönchengladbachs Trainer Lucien Favre und den damals für die Fohlen spielenden Christoph Kramer kennenzulernen.
Wünschewagen international
Das erste Wünschewagen-Projekt entstand in den Niederlanden: „Stichting Ambulance Wens“. Ein Rettungssanitäter fuhr mit einem alten Seemann am Hafen vorbei. Die Freude des Seemannes brachte die Idee zum Projekt. Eine weitere Organisation ist die „Wish Ambulance Tel Aviv“.
Finanziert wird das Projekt aus Überschüssen aus anderen Bereichen des ASB und Spenden. Längerfristig soll das Projekt nur mit Spenden finanziert werden.
Manchmal sind die Wünsche für die Organisatoren klein, für die Betroffenen aber von großer emotionaler Bedeutung. So ist zum Beispiel in einem Fall eine Dame direkt vom Krankenhaus in ein Hospiz gekommen – ohne noch einmal in ihrer Wohnung gewesen zu sein. Davon wollte sie sich vor ihrem Tod jedoch noch verabschieden. Auch das Grab ihres verstorbenen Mannes wünschte sie noch einmal zu sehen.
Manchmal könnten Todkranke ihre letzten Kräfte noch einmal mobilisieren. So schaffte es ein Mann noch, die Konfirmation seiner Enkelin zu besuchen, auf die er ein halbes Jahr hingefiebert hatte. Damit habe er sich und seinen Angehörigen einen unvergesslichen letzten Augenblick beschert. Eine Woche später sei der Mann verstorben.
Projekt start war im Oktober 2014
Damit aber überhaupt solche Wünsche erfüllt werden können, ist es Nazan Aynur wichtig, eine breitere Öffentlichkeit über das im Oktober 2014 gestartete Wünschewagen-Projekt zu informieren. Dabei stellt sie heraus, dass sie und ihr Team die Todkranken nicht als Patienten, sondern vielmehr als Fahrgäste sehen, da sie mit ihnen „einen Ausflug machen und nicht heilen“.
Dass dieser vielleicht letzte Ausflug für die Menschen so angenehm wie möglich wird, dafür sorgt der extra umgebaute Wünschewagen. Er bleibt zwar im Kern ein Krankentransportwagen, es wird aber Wert darauf gelegt, ihn nicht wie einen aussehen zu lassen: Das Wohl des Fahrgastes steht im Vordergrund. So sind nicht nur eine deutlich weichere Matratze eingebaut, damit es der Gast bei längeren Fahrten bequem hat. Auch auf die üblichen Signalfarben wurde verzichtet. Die medizinischen Geräte müssen zwar verpflichtend in dem Mobil vorhanden sein, sind allerdings so verstaut, dass sie nicht zu sehen sind. Es soll zu keiner Zeit das Gefühl eines regulären Krankentransportes aufkommen. Ebenfalls zur Ausstattung gehören zwei „Sessel“ für die Begleitung des Fahrgastes und den ehrenamtlichen Pfleger.
Mittlerweile unterstützen 135 ehrenamtliche Helfer den Wünschewagen. Auch wenn die Zahl auf den ersten Blick groß erscheint, weist Nazan Aynur darauf hin, dass es nie genug ehrenamtliche Helfer geben kann. Schließlich haben fast alle noch einen festen Job. Daher sei es für sie enorm wichtig, aus einen „großen Pool an Helfern“ schöpfen zu können. Bei einer Fahrt wird zudem in Vorfeld abgeklärt, welcher Helfer als Begleitung überhaupt in Frage kommt. Da spielen auch die jeweilige medizinische Ausbildung und das Fachgebiet des Ehrenamtlichen eine Rolle. Das Alter der Helfer ist dagegen völlig nebensächlich. Unter den Ehrenamtlichen sind alle Altersgruppen von 18 bis 72 Jahren vertreten. Sogar einen Anruf von einem Sechsjährigen hätte das Wünschewagen-Projekt einmal bekommen. Er wollte todkranken kleinen Kindern Märchen vorlesen.