Oberhausen. . Ein Oberhausener Schicksal zum 70. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges. Hans Müller setzte sich zeitlebens gegen alte und neue Nazis ein.
„Eduard Tödtheide ist aus dem Konzentrationslager Sachsenhausen nicht wiedergekommen.“ Nachdem Hans Müller diesen Satz ausgesprochen hatte, war er in Tränen ausgebrochen, hatte minutenlang nicht weitersprechen können. Der über 70-Jährige war von seinen Erinnerungen an seinen Weggefährten im Kampf gegen das Nazi-Regime überwältigt worden.
Dieses Erlebnis geht Klaus Oberschewen (Vorsitzender des Historischen Vereins Oberhausen-Ost) bis heute nah. „Eduard Tödtheide ist nicht tot, Hans Müller hält ihn lebendig“, dachte er damals, als er Mitte der 1980er Jahre an einer von Müller geführten „Antifaschistischen Stadtrundfahrt“ teilnahm.
Oberschewen weiß: 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges ist es nun an ihm, die Erinnerung an den inzwischen verstorbenen Hans Müller wach zu halten.
Viele Jahre geschwiegen
Müller war seit 1929 bei den Babcock-Werken in Lirich als Schlosser tätig. Und er gehörte dem Kommunistischen Jugendverband Deutschlands (KJVD) an, der eng mit den katholischen Sturmscharen zusammen arbeitete. Diese ungewöhnliche Verbindung war durch die Freundschaft zwischen Kaplan Dr. Joseph Rossaint und dem Kommunisten Max Schäfer entstanden. Schäfer leitete mit Hans Rentmeister, Heinrich Schmidt, Ernst Kircher und Hans Müller den KJVD-Oberhausen.
Die jungen Leute waren überzeugt: „Hitler bedeutet Krieg“. Um ihre Meinung unters Volk zu bringen, druckten sie ab 1933 im Keller des Josef-Hospitals Flugblätter und Schriften wie die Betriebszeitung „Der junge Babcockarbeiter“. „Getippt wurde auf einer Schreibmaschine, vervielfältigt auf einem Kopierer mit Handkurbel.“
Josef Schlötter, der als Heizer und Kraftfahrer im Krankenhaus beschäftigt war, hatte die illegale Druckerei ermöglicht. „Während Willi Zeisig die Texte tippte, schippten Hans Müller, Eduard Tödtheide, Josef Schlötter und Fritz Balluf den Koks von einer Ecke in die andere, um das Klappern der Tasten zu übertönen.“
Aus dem Keller schmuggelten die jungen Leute Schriften ins gesamte Ruhrgebiet – bis viele von ihnen im November 1934 durch die Gestapo (Geheime Staatspolizei) verhaftet wurden. Darunter Hans Müller. Für den knapp 20-Jährigen begann ein Leidensweg, der ihn ins Zuchthaus Lüttringhausen, ins Aschendorfer Moor und ins Konzentrationslager Sachsenhausen führte.
"Führung gut - politisch unzuverlässig"
„Viele Jahre hatte Hans über diese Zeit nicht sprechen können“, berichtet Oberschewen. Erst später habe er die Kraft dazu gefunden. Bis ins hohe Alter kämpfte er unermüdlich gegen das Vergessen. „Eindrucksvoll schilderte Hans vor Schulklassen den Terror der Nazis gegen Andersdenkende.“
Was Hans Müller nie verwinden konnte: Auch in Oberhausen hatte sich nach dem Krieg der Wind rasch gedreht. Im Gewerkschaftshaus hatte Müller noch mit anderen Mitgliedern der Arbeiterparteien und Gewerkschaften die „Antifaschistischen Ausschüsse“ gegründet. Sie waren nach Kriegsende die Ansprechpartner für die britische Besatzungsmacht. „Die Nazi-Verwaltung im Oberhausener Rathaus war ja geflohen oder wartete ab“, sagt Oberschewen.
Doch schon bald musste Müller erleben, wie alte Nazis in die Stadtverwaltung zurückkehrten. Ein Kapitel, das er in seinen 1994 erschienenen Lebenserinnerungen „Führung gut – politisch unzuverlässig“ verarbeitete.
Spät geehrt wurde Hans Müller im Oktober 1989: Für hervorragende Verdienste um die Demokratie zeichnete ihn Oberbürgermeister Friedhelm van den Mond mit der Ehrennadel der Stadt aus.