Oberhausen. Die Bedeutung der Straßenbahn für die Stadtgeschichte von Oberhausen. Industrielle und Kaufleute wollten das Transportmittel.
1896 war die junge Industriestadt Oberhausen Schrittmacher für ganz Deutschland. In unserer Stadt fand die erste kommunale Gründung eines Straßenbahnunternehmens im Deutschen Reich statt – alle älteren Straßenbahnen des Landes gehen auf private Gründungen zurück. Das war für die Stadtväter von damals – Stadtmütter waren nach Wahlrecht bis 1919 nicht zulässig – ein sehr mutiger Schritt. Denn eine Straßenbahn zu bauen und zu betreiben, das war verdammt teuer, viel kostspieliger als die Ausgaben der Stadt für andere Infrastrukturbauten wie Schulen oder Straßen. Zudem beinhaltete eine städtische Straßenbahn ein erhebliches unternehmerisches, finanzielles Risiko. – Warum machten die Oberhausener so etwas?
Gemeinsame Kraftanstrengung
In den 20 Jahren vor dem Ersten Weltkrieg boomte die Wirtschaft in Deutschland. Kohle, Eisen und Stahl hatten daran großen Anteil. Konzerne und Städte im Ruhrgebiet wuchsen stark. Oberhausen gehörte zu den am schnellsten wachsenden Städten der Region. Das hatte vor allem zwei Ursachen: die Expansion der Gutehoffnungshütte und die Ausdifferenzierung einer bunten Wirtschaftsstruktur aus Kleinindustrie wie aus vielfältigen Dienstleistungen in der Innenstadt.
Mitarbeiter der Oberhausener Stadtkanzlei
Stadthistoriker Dr. Magnus Dellwig, Autor dieses Artikels über die Bedeutung der Straßenbahn für Oberhausen, ist Mitarbeiter im Büro des Oberbürgermeisters.
Nach dem Studium der Geschichte und der Sozialwissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum von 1985 bis 1991 hat Magnus Dellwig 1995 in Neuerer Geschichte an der TU Berlin mit der Arbeit „Kommunale Wirtschaftspolitik in Oberhausen 1862–1938“″ bei Prof. Dr. Heinz Reif promoviert.
So kam es, dass sich die konfessionell oft getrennt agierenden Industriebürger – meist evangelisch und nationalliberal – und die kleineren Unternehmer um die Marktstraße – meist katholisch und im Zentrum – zu einer großen, gemeinsamen Kraftanstrengung zusammen fanden: die Schaffung der Straßenbahn mit Linien ins Knappenviertel und nach Alstaden, auch nach Sterkrade und Osterfeld. Dem lag eine starke Identität der Interessen zu Grunde: Während die GHH immer mehr Arbeiter und Angestellte brauchte, die nicht mehr nur fußläufig um die Werke wohnen konnten, benötigte die City für ihr weiteres Wachstum eine Ausweitung des Einzugsgebietes. Was bot sich da besser an als der Wirtschaftsraum des stadtbeherrschenden Konzerns mit seinen Standorten in Oberhausen, Sterkrade und Osterfeld?
Stärkung als Handelsstadt
Die Straßenbahn schuf eine entscheidende Grundlage für die zunehmende Verflechtung der drei GHH-Städte, für die Stärkung Oberhausens als Handels- und Dienstleistungsstadt. So stieg der Anteil der Beschäftigten in den Dienstleistungen von 1900 bis 1950 von etwa sechs Prozent auf fast 30 Prozent an. So expandierte die GHH zwischen 1900 und 1929 im Oberhausener Raum von etwa 10 000 auf 28 000 Beschäftigte. Als Fazit kann man festhalten: Die wirtschaftliche Rendite der Straßenbahn, obgleich eine hohe Investition mit hohen Betriebskosten, stimmte.
Doch das war nicht alles: Die stadtentwicklungspolitische Rendite stimmte erst recht: Oberhausen konnte sich im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts als Mittelzentrum im westlichen Ruhrgebiet etablieren, von 40.000 auf 190.000 Einwohner anwachsen, eine Stadt mit attraktiven Wohngebieten bei verkehrlicher Cityanbindung (wie Alstaden, Rothebusch und Alsfeld) werden. Die Alternative zu erfolgreicher Stadtentwicklung wäre ein Verschwinden von der Landkarte, die Eingemeindung in Nachbarstädte 1929 gewesen.
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