Oberhausen. Oberhausen und die Geschichte der Eingemeindungen im Ruhrgebiet. Die junge Industriestadt war im Nachteil im regionalen Wettbewerb um Flächen.

Der Stadthistoriker Hein Hoebink wählte für sein Buch über die Umbildung der Städtelandschaft an der Ruhr von 1900 bis 1929 den Titel „Mehr Raum – mehr Macht“, und das nicht von Ungefähr. Auch für die Stadt Oberhausen wurden Eingemeindungen eine Frage von Einfluss und Gestaltungsmacht, aber seit 1922 noch viel mehr sogar zur Frage des Überlebens als Kommune. Die Geschichte der Eingemeindungen im Oberhausener Raum von 1904 bis 1929 bringt sehr deutlich die Stellung unserer Stadt im Städtesystem Ruhrgebiet zum Ausdruck.

So wie Eingemeindungen erheblichen Anteil am Wachstum, am Erreichen des Ranges einer Großstadt vor 100 Jahren 1915 und dann 1929 an der Zukunftssicherung durch die Vereinigung des Wirtschaftsraumes der Gutehoffnungshütte hatten, erfuhr Oberhausen durch die mit ihnen verbundenen Konflikte auch seine Grenzen. Das Ergebnis dieses Kapitels der Stadtgeschichte ist eindeutig: Im Gegensatz zu kleineren Gemeinden mit wenig Finanzkraft und städtischen Infrastrukturen verschwand Oberhausen nicht als Teil einer noch größeren Stadt von der kommunalen Landkarte.

Markante Mittelstellung

Umgekehrt gelang Oberhausen nicht die großflächige Raumbildung der Oberzentren an der Ruhr – Duisburg, Essen, Bochum, Dortmund, sondern im Wesentlichen die Expansion nach Norden. Dadurch blieb Oberhausen nicht nur kleiner als die Spitzenreiter im Ruhrgebiet, zugleich wurde die Stadtentwicklung behindert, indem die City nicht zum vielseitigen Geschäftszentrum eines ringförmig um sie erweiterten Stadtgebietes von etwa einer halben Million Einwohnern aufstieg. Folglich nahm und nimmt die ehemalige Industriestadt Oberhausen eine markante Mittelstellung zwischen Oberzentren und Industriedörfern – z.B. zwischen Essen und Borbeck – im Ruhrgebiet ein. Es lohnt der Blick darauf, wie es dazu kam.

Gegenüber den älteren, aus vorindustrieller Zeit stammenden Bürgerstädten am alten Hellweg hatte die junge Industriestadt Oberhausen mit ihren vielfältigen Nachholbedarfen zu städtischer Lebensqualität einen Nachteil im regionalen Wettbewerb um Raum, Wohlstand und Anerkennung bei der Staatsregierung. Denn nur über deren Zustimmung ließen sich Eingemeindungsziele verwirklichen.

Zum ersten Mal spürten das Oberhausens Stadtväter 1904, als die Gemeinde Styrum komplett in die Kreisstadt Mülheim eingemeindet wurde. Oberhausens Zögern bei der Aufnahme Nord-Styrums um die Lothringer Straße, weil man eine Belastung der städtischen Finanzen durch die dort zahlreiche Arbeiterbevölkerung fürchtete, rächte sich – vorübergehend. Doch Oberhausens Verhandlungsposition war dadurch bei der 1910 vorgenommenen Aufteilung des restlichen Landkreises Mülheim geschwächt. Um dann Nord-Styrum „zurück“ zu erhalten, war der Verzicht auf größere Teile Styrums und Dümptens erforderlich, die aus Gründen vorausschauender Stadtplanung gewünscht waren.

Zuspruch des preußischen Staates

Damit hieß Oberhausens erste Lehre aus dem harten Wettbewerb zwischen den Städten südlich der Emscher: Auffangplanung gelang – der Nachvollzug von bereits im Stadtbild erkennbaren Vorortbildungen; Lenkungsplanung aber – die langfristige Sicherung von Flächenreserven für Industrie oder Wohnen – scheiterte am größeren Zuspruch der Bürgerstädte beim preußischen Staat – oder dem Protest von Einwohnern. Dieses Muster galt erstmals 1909 bei der Aufteilung Buschhausens zwischen Sterkrade und Oberhausen, dann 1915 bei der Aufteilung Borbecks auf Essen und Oberhausen. Jeweils erhielt unsere Stadt weit weniger als beansprucht – und weit weniger als die Wettbewerberinnen.

So wundert es nicht, dass OB bei der großen Gebietsreform im Ruhrgebiet von 1926 bis 1929 keinesfalls zu denjenigen Kommunen zählte, deren Existenz gesichert war. Ganz im Gegenteil: 1922 und wieder von 1926 bis 1928 machten sich die Nachbarn berechtigte Hoffnungen auf die Eingemeindung einer der drei GHH-Städte: von Osterfeld nach Bottrop, von Sterkrade nach Duisburg, und auch von OB nach Mülheim.

Die Neuordnung von 1929 als Überlebensfrage

Oberhausen verfügte gegenüber vielen Städten der Region über einen beachtlichen Vorteil: Es war Sitz eines bedeutenden deutschen Konzerns, der Gutehoffnungshütte, zu welcher seit 1921 auch die MAN in Bayern, Werften und weitere Metallverarbeiter gehörten. Das erhöhte die Größe der Firmenzentrale, den Bedarf an Angestellten, und die Steuerleistung der GHH an die Stadt.

Zudem hatte GHH-Vorstandschef Paul Reusch als Vorsitzender eines wichtigen deutschen Industrieverbandes (des sog. Langnam-Vereins) beste Kontakte zur Berliner Regierung. So änderten sich die Zukunftsaussichten Oberhausens grundlegend, als Reusch 1928 entschied: Eine Aufteilung der drei GHH-Städte brächte für seinen Konzern nur Nachteile. Fortan unterstützte er Oberbürgermeister Havenstein bei der Vereinigung Oberhausens mit Sterkrade und Osterfeld, die 1929 gelang.

Die Lebensqualität

Diese Umstände verdeutlichen: Mehr war für Oberhausen 1929 wirklich nicht drin! Und das gilt, obgleich die Verwaltungsspitze durchaus noch weiter reichende Pläne verfolgte. – Hätte die Staatsregierung mitgespielt, wäre OB Havenstein sogar angetreten, um die Vereinigung der neuen, größeren GHH-Stadt mit dem südlichen Nachbarn Mülheim zu fordern. Getreu dem Motto von Hoebink „Mehr Raum – mehr Macht“ lagen Havensteins Argumente auf der Hand: Ein Ausgreifen nach Nord und Süd hätte das Geschäftszentrum Marktstraße langfristig gestärkt, Oberhausen umfangreiche neue Flächen für Wohngebiete und einen schiffbaren Zugang zur Ruhr verschafft. Aufgrund der deutlich verschiedenen Wirtschaftsstrukturen – OB mehr Kohle, Eisen- und Stahl; MH mehr Handel – wäre die Finanzkraft der größeren Stadt robuster und größer ausgefallen.

Die ablehnende Haltung der Staatsregierung zu Oberhausens Vision zeigte, dass unsere Stadt im Ruhrgebiet nicht ganz auf Augenhöhe seiner großen Nachbarn spielte: Mülheims Lebensqualität als Stadt wurde trotz weniger Einwohnern (130.000 statt 190.000) nicht geringer veranschlagt. Vor allem hielt der Regierungspräsident die Zukunft zugunsten Essens offen: Sollten später einmal noch größere kommunale Einheiten im Ruhgebiet erforderlich werden, so galt Essen vor Oberhausen als legitimer Aspirant für die Aufnahme der Ruhrstadt.