Oberhausen. Katharina Schlehuber glaubt, dass ihr Vater Johann van Stegen die Tafel zur Erinnerung an die Gefallenen des MGV Liedertafel geschnitzt haben könnte.
Die Suche nach der Vorgeschichte von Museums-Exponaten ähnelt mitunter dem Zusammentragen von Mosaiksteinchen: Aktuell ist es eine hölzerne Gedenktafel, die dem LVR-Industriemuseum Rätsel aufgibt: Auf verschlungenen Pfaden gelangte die Tafel, mit der ein Männergesangverein seiner im Ersten Weltkrieg gefallenen Mitglieder gedenkt, im vergangenen Jahr zurück nach Oberhausen. Ein Aufruf, den die NRZ Anfang Januar veröffentlichte, förderte jetzt ein „Mosaiksteinchen“ zu Tage: Eine Leserin meldete sich beim Museum: Katharina Schlehuber (98) ist ziemlich sicher, dass die Gedenktafel des „MGV Liedertafel von 1873“ von ihrem Vater geschnitzt wurde. Auch Ingrid Trocka-Hülsken, Sprecherin der Oberhausener LVR-Museen, sagt: „Das ist sehr wahrscheinlich. Es passt ja eigentlich alles.“
Ein Mann in Lünen hatte die etwa 30 Zentimeter große Gedenktafel irgendwann im eigenen Keller entdeckt: „Er konnte damit nichts anfangen und hat sie deswegen an ein örtliches Museum weitergegeben“, erzählt Trocka-Hülsken. „Das Museum wiederum hat uns dann kontaktiert, weil es selbst keine Verwendung für das aus Oberhausen stammende Stück hatte.“
Umweg über Lünen
Für die Ausstellung „100 Jahre Erster Weltkrieg“ kam das Exponat leider zu spät – nichtsdestotrotz freute man sich über den hölzernen Zeugen der Vergangenheit. Allerdings wurde schnell klar: Viel weiß man nicht über die Hintergründe des aufwendig geschnitzten Stücks – eigentlich nur das, was es selbst über sich preisgibt: „Unseren im Weltkriege 1914-18 gefallenen Sangesbrüdern“, heißt es auf der mit Eichenlaub und Eicheln umkränzten Tafel. „MGV Liedertafel Oberhausen, gegründet 1873“ steht darüber, die Namen der Gefallenen stehen im Zentrum: Peter Gören, Arnold Hechmer, Gustav Kron, Karl Polligkeit und Wilhelm Ruhr.
Über den Gesangverein finden sich kaum Informationen – außer, dass es ihn offenbar noch Ende der 1930er Jahre gegeben hat. Auch, wo die Tafel dereinst ihren Platz hatte – etwa im Vereinslokal – und wie sie später nach Lünen gelangte, ließ sich bislang nicht feststellen.
Hilfe ist beim Museum weiterhin Willkommen
Hinweise auf den ursprünglichen Platz der Tafel, auf die Geschichte des „MGV Liedertafel Oberhausen 1873“ oder Informationen über die gefallenen Sangesbrüder sind weiterhin willkommen: 85 79-136.
Als Rudolf Schlehuber das Bild der Gedenktafel in der Zeitung sah, kam ihm spontan der Gedanke: „So hat unser Opa auch immer geschnitzt.“ Auch seiner Mutter, Katharina Schlehuber, war die Abbildung ins Auge gesprungen: „Das könnte mein Vater gemacht haben“, war ihr erster Gedanke. „Ich kann mich erinnern, dass er für Vereine Gedenktafeln für gefallene Krieger geschnitzt hat“, erzählt die 98-Jährige im NRZ-Gespräch. Selbst habe er dem Gesangverein nicht angehört, aber von einer Liedertafel sei damals die Rede gewesen, erinnert sie sich. Johann van Stegen hieß der gelernte Schreiner, der sich nach Feierabend oft und gern zum Schnitzen in seine Werkstatt im Hof zurückgezogen habe.
Geboren wurde er 1885: „Mein Vater war selbst Soldat in Frankreich“, erzählt sie. „Ich kann mich erinnern, wie er nach Kriegsende zu uns ins Schladviertel zurückkam. Das war für mich natürlich erstmal ein fremder Mann“, erzählt die 1916 Geborene von einer Situation, die viele ihrer Generation in jenen Jahren durchlebt und durchlitten haben.
Ein Mosaiksteinchen in der Geschichte der Tafel ist damit wohl gefunden. Viele andere fehlen noch...