Oberhausen. Interview mit Hartmut Gieske. Die gemeinsame Tochter von Stadtwerken und RWE sucht nach neuen Geschäftsmodellen
Ruhrgebiets-Stadtwerke klagen über die Folgen der Energiewende. Konventionelle Gaskraftwerke rentieren sich nicht mehr, Kosten steigen, betriebsbedingte Kündigungen drohen. Wie dramatisch ist die Lage bei der EVO, Herr Gieske?
Mich wundert, dass der Aufschrei erst jetzt kommt. Seit Jahren werden uns drei bisher erfolgreiche Geschäftsmodelle politisch gewollt kaputt gemacht. Erstens ist in der Energieerzeugung heute mit konventionellen Kraftwerken kein Geld mehr zu verdienen. Netzentgelte sind zweitens so reguliert, dass Erlöse die Kosten nicht mehr decken. Drittens ist die Gewinnmarge beim Energievertrieb im Keller, weil die Politik Bürger aufruft, man möge den Energieversorger wechseln. Allein in Oberhausen gibt es 168 Strom- und 81 Gasanbieter.
Wie ist die Situation bei der EVO?
Hartmut Gieske: Wir haben als EVO schon vor zehn Jahren versucht, diesen Entwicklungen gegenzusteuern. Wir haben all unsere Kerngeschäfte auf ihre Effizienz hin überprüft und rechtzeitig in die Fernwärme investiert. Zugleich haben wir aber auch Personal abgebaut. Als ich 2003 bei der EVO angefangen habe, hatten wir 678 Mitarbeiter, in den nächsten Jahren werden wir die Schallmauer von 400 Mitarbeitern nach unten durchbrechen – bei steigenden Aufgaben.
Also gibt es keine Probleme?
Gieske: Kurzfristig vielleicht nicht, aber in den nächsten drei bis fünf Jahren. Mit unseren Anteilseignern, RWE und Stoag, ist ausgemacht, dass wir an sie Erlöse in Höhe von elf Millionen Euro nach Steuern ausschütten. Das haben wir 2014 geschafft, aber auch nicht allein aus dem rein operativen Geschäft. Das ging an unsere Substanz.
Die EVO ist an ihren Notgroschen gegangen?
Gieske: Wir mussten auf unsere Rücklagen zurückgreifen. Ich gehe davon aus, wenn uns die Witterung zuspielt, bekommen wir die elf Millionen Euro auch 2015 hin. Ab 2016 schaffen wir das nicht mehr, wenn alles so weitergeht. In fünf Jahren fehlen uns sogar fünf Millionen Euro, nahezu die Hälfte unseres Erlöses.
Welche Auswirkungen hat das für die Stadtkasse?
Gieske: Mehrere. Denn wir zahlen ja auch Gewerbesteuern, zuletzt in Höhe von 2,6 Millionen Euro im Jahr. Hinzu kommt die Konzessionsabgabe...
...also das Geld, das die EVO Oberhausen fürs Nutzen der Straßen, Brücken und Wege bezahlt.
Gieske: Derzeit liegt die Konzessionsabgabe bei jährlich zwischen acht und 9,5 Millionen Euro. Im gerade verlängerten Konzessionsvertrag ist festgehalten, dass diese Abgabe absatz- und umsatzgetrieben ist. Machen wir weniger Umsatz, hat das Einfluss auf den Gewinn und die Konzessionsabgaben. Vom Sponsoring möchte ich gar nicht sprechen.
Wie hoch ist die Summe, mit der die EVO Vereine unterstützt?
Gieske: Sie ist angemessen hoch. Bei rückläufigen Gewinnen können wir diese Messlatte aber nicht beibehalten. Und wir reden nicht über Spitzensport, sondern über den Breitensport. Wir haben eine Vielzahl von Projekten für Kinder und Jugendliche. Und ich weiß auch nicht, wie der Aufschrei in Oberhausen sein wird, wenn die Quersubventionierung des ÖPNV nicht mehr so durch die EVO stattfindet. 50 Prozent unseres Erlöses gehen über die Anteilseignerstruktur an die Stoag.
Sie zeichnen da ein Dominospiel.
Gieske: Ich nenne Ihnen ein anderes Spiel: Die Preiserhöhung der EVO in den letzten Jahren ist zu fast 100 Prozent steuer- und abgabegetrieben. Der Staat nutzt uns als Steuereintreiber und wir kriegen die Haue. Gleichzeitig steigen die Preise für Brot oder das Busticket, weil auch die Unternehmen neue Kosten haben
Das Sponsoring, der ÖPNV, Gelder für die Stadtkasse, all das sollte doch ausreichend Argument sein, damit Sie sich gegen private Wettbewerber durchsetzen können.
Gieske: Das weiß keiner, weil niemand darüber spricht oder schreibt. Ich wäre froh, wenn ein Großteil der politisch Verantwortlichen anerkennen würde, welche Gesamtleistung die EVO in Oberhausen bringt. Das ist selbstverständlich geworden.
Drohen bei der EVO betriebsbedingte Kündigungen?
Gieske: Wir versuchen, für unsere Belegschaft ein guter und sicherer Arbeitgeber zu sein. Bei der bestehenden Struktur sind wir mit unseren 400 Mitarbeitern an der Schmerzgrenze angelangt. Wir arbeiten im Schichtbetrieb, der Verwaltungsbereich ist ausgedünnt worden, gleichzeitig konfrontieren wir die Belegschaft mit immer mehr Arbeit. Wenn wir aber kein Geld mehr verdienen und der Druck der Anteilseigner steigt, müssen wir weitere kreative Maßnahmen entwickeln.
Was heißt das konkret?
Gieske: Wir brauchen wieder zukunftsfähige neue Geschäftsmodelle. Wir wollen die Dienstleistungskette zum Kunden hin ausbauen, also etwa kleinere, dezentrale Anlagen ermöglichen
Auf dem Neubaugebiet am Rechenacker ist so etwas geplant, eine Pelletanlage und ein Nahwärmenetz. Lohnt sich das denn?
Gieske: Einzelne erfolgreiche Beispiele machen noch kein Geschäftsmodell, dazu muss mehr kommen. Das ist ein Schwerpunkt, den wir setzen wollen. Wir müssen auch daran arbeiten, kundenorientierter aufgestellt zu sein. Und wir wollen sinnvolle Projekte in Bezug auf Erneuerbare Energien umsetzen.
Ein Windpark in Oberhausen?
Gieske: Da gibt es keinen geeigneten Standort. Es macht in Oberhausen auch keinen Sinn, verstärkt auf Solarenergie zu setzen. Anders das Projekt Fernwärmeschiene Rhein Ruhr, bei dem wir verschiedene Fernwärmeinseln, die wir in den Städten schon jetzt haben, miteinander verbinden. Übrigens ist da die Steag unser größter Partner. Erneuerbare Energien sind auch ein Grund, warum wir uns an der Steag beteiligt haben. Wir wollen die Steag ein stückweit auf Erneuerbare Energien ausrichten, mit Windparks in Spanien und Osteuropa.
Hat sich der Steag-Deal aus heutiger Sicht gelohnt?
Gieske: Die Entscheidung damals war goldrichtig und ich würde wieder so entscheiden. Die Steag hat bis heute die Ergebnisabführung erreicht, die wir erwartet hatten. Aber auch die Steag kann sich langfristig vor den energiepolitischen Entscheidungen in Deutschland nicht wegducken. Wir brauchen aber die Beteiligungserträge der Steag, um die Durststrecke zu überwinden, bis wir neue Modelle haben. Denn dieser Ertrag liegt im Millionenbereich, das ist mehr als nur ein Taschengeld.