Oberhausen. Begegnung mit Herlinde Koelbl lockt über 400 Besucher zur Vernissage in die Ludwiggalerie im Schloss Oberhausen. Eine Ausstellungseröffnung mit Eventcharakter

Großer Andrang bei der Eröffnung von Herlinde Koelbls Ausstellung in der Ludwiggalerie: Über 400 Besucher ließen sich die Begegnung mit der Ausnahme-Künstlerin nicht entgehen und nahmen dafür sogar die durch drohende Eisglätte als gefährlich angekündigte Anfahrt in Kauf.

„Mehr geht nicht vom Platz her“, begrüßte Oberbürgermeister Klaus Wehling die Gäste, die es geschafft hatten, ob sitzend oder stehend, einen Platz im prall gefüllten Foyer der Galerie zu erobern. Allerdings wurden die Reden auch für diejenigen, denen das nicht gelungen war, per Lautsprecher in die Ausstellungsräume übertragen.

Fantastische Zeitreise inszeniert

Erwartet hatte Herlinde Koelbl das enorme Interesse an der von ihr selbst fantastisch inszenierten „Zeitreise durch meine eigenen Themen“ ganz offensichtlich nicht. „Viel gesehen habe ich von Oberhausen immer noch nicht, doch wenn ich Sie hier alle sehe, ist es für mich nicht mehr grau.“ Wird es auch nicht bleiben, denn als Dank für ihr Gastspiel und ihr Engagement fürs Gelingen der Schau – sie hatte drei Tage lang unermüdlich den Aufbau begleitet – überreichte Wehling ihr einen Parkstadt-Bildband. „Erfreuen Sie sich an dem bunten Oberhausen, das graue liegt Jahrzehnte zurück.“

Tolles Gesamtkunstwerk

„Ein besonderer Abend, eine besondere Ausstellung und eine sehr besondere Künstlerin“, begrüßte Christine Vogt, Direktorin der Ludwiggalerie, die Gäste. „Sie befinden sich in einem Gesamtkunstwerk.“

Die Ausstellung von Herlinde Koelbl ist bis zum 3. Mai täglich außer montags von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Tickets: acht Euro.

Erfreut und überrascht haben die Künstlerin zwei Besucherinnen der Vernissage ganz besonders: In Der ersten Reihe saßen Andrea und Anita – die beiden Frauen, die Koelbl 2007 im Rahmen ihrer Serie „Beziehungen“ porträtiert und die der Oberhausener Ausstellung ein Gesicht geben. Ihr Konterfei ziert das Cover des Begleitheftes sowie das Plakat zur Präsentation. Aus Düsseldorf sind die Frauen angereist, sie haben einen Blumenstrauß für die Künstlerin mitgebracht. Es ist ein Zeichen dafür, wie großartig es Koelbl gelingt, während ihrer Arbeit mit Menschen Beziehungen aufzubauen: Auch lange nachdem das Werk, in dem sie eine Rolle spielen, abgeschlossen ist, erinnern sie sich gern daran.

„Das Interesse an Menschen, die Neugierde treibt mich an. Erst kommt das Sehen, die Wahrnehmung. Ich achte auf die Körpersprache, den Klang der Stimmen, versuche Signale wahrzunehmen und ihnen eine Bedeutung zu geben. Jedes Projekt verlangt eine andere Inszenierung“, erklärte Koel­bl. Das Gespräch mit den Menschen, die sie in Szene setze, um ihre Geschichte zu erzählen, sei ihr so wichtig wie das Foto. „Es geht nur miteinander. Bestenfalls hat am Ende der andere auch ein kleines Abenteuer erlebt.“

Koelbl-Ausstellung "Kleider machen Leute"

Der damalige Bischof von Regensburg, Gerhard Ludwig Müller ist eines von Koelbls Lieblingsporträts: In seinem Bischofsgewand hält er den Kopf hoch, die Schultern sind zurück, die Hände wie zum Gebet gefaltet. Seine Körperhaltung verleiht ihm Autorität. Privat schlüpft er in einen Trainingsanzug. Jetzt sieht er aus wie ein netter Onkel.
Der damalige Bischof von Regensburg, Gerhard Ludwig Müller ist eines von Koelbls Lieblingsporträts: In seinem Bischofsgewand hält er den Kopf hoch, die Schultern sind zurück, die Hände wie zum Gebet gefaltet. Seine Körperhaltung verleiht ihm Autorität. Privat schlüpft er in einen Trainingsanzug. Jetzt sieht er aus wie ein netter Onkel. © Oliver Schaper
So sieht also eine Domina privat aus. Vorgaben machte Koelbl bei ihren Porträts nicht - bis auf eine: »Der Blick muss direkt sein, damit ein Dialog entsteht.«
So sieht also eine Domina privat aus. Vorgaben machte Koelbl bei ihren Porträts nicht - bis auf eine: »Der Blick muss direkt sein, damit ein Dialog entsteht.« © Oliver Schaper
Koelbl hat die mehr als 70 Protagonisten bewusst vor einem neutralen Hintergrund fotografiert: „Im normalen Umfeld lenkt zu viel ab. Mir ging es darum, die Verwandlung zu zeigen.“
Koelbl hat die mehr als 70 Protagonisten bewusst vor einem neutralen Hintergrund fotografiert: „Im normalen Umfeld lenkt zu viel ab. Mir ging es darum, die Verwandlung zu zeigen.“ © Oliver Schaper
Die Schornsteinfegerin als Girlie: „Es ist, als wenn sich ein Schalter umlegt“, beschreibt Koelbl ihre Beobachtungen. Die Menschen lassen die Schultern hängen, die berufliche Autorität geht verloren.
Die Schornsteinfegerin als Girlie: „Es ist, als wenn sich ein Schalter umlegt“, beschreibt Koelbl ihre Beobachtungen. Die Menschen lassen die Schultern hängen, die berufliche Autorität geht verloren. © Oliver Schaper
Durch die Uniform, die Tracht, die Standeskleidung verändert sich die Haltung der Menschen. »Das Selbstbewusstsein wird größer, weil sie wer sind.« Der Herr links fühlt sich offensichtlich jedoch auch oben ohne wohl.
Durch die Uniform, die Tracht, die Standeskleidung verändert sich die Haltung der Menschen. »Das Selbstbewusstsein wird größer, weil sie wer sind.« Der Herr links fühlt sich offensichtlich jedoch auch oben ohne wohl. © Oliver Schaper
Ob Geisha-Kostüm, Pilotenuniform oder Bergmannskleidung: In Berufskleidung fällt man auf, tritt aus der Masse heraus.
Ob Geisha-Kostüm, Pilotenuniform oder Bergmannskleidung: In Berufskleidung fällt man auf, tritt aus der Masse heraus. © Oliver Schaper
Die Menschen sollten zum Fototermin das mitbringen, was sie privat auch wirklich anziehen: Trainingsanzug, Hausschuhe, einen alten, löchrigen Pulli - auf Nonnen hat das offenbar eine durchaus entspannende Wirkung.
Die Menschen sollten zum Fototermin das mitbringen, was sie privat auch wirklich anziehen: Trainingsanzug, Hausschuhe, einen alten, löchrigen Pulli - auf Nonnen hat das offenbar eine durchaus entspannende Wirkung. © Oliver Schaper
Vier Jahre lang arbeitete Fotografin Herlinde Koelbl an den Porträts. Die Protagonisten stammen aus Deutschland, England, Äthiopien, der Mongolei und aus Japan.
Vier Jahre lang arbeitete Fotografin Herlinde Koelbl an den Porträts. Die Protagonisten stammen aus Deutschland, England, Äthiopien, der Mongolei und aus Japan. © Oliver Schaper
Dieser Offizier der schweizer Luftwaffe sieht privat eher nach einer Alpenausgabe von Richard Gere aus.
Dieser Offizier der schweizer Luftwaffe sieht privat eher nach einer Alpenausgabe von Richard Gere aus. © Oliver Schaper
Koelbl hat die mehr als 70 Protagonisten bewusst vor einem neutralen Hintergrund fotografiert: „Im normalen Umfeld lenkt zu viel ab. Mir ging es darum, die Verwandlung zu zeigen.“
Koelbl hat die mehr als 70 Protagonisten bewusst vor einem neutralen Hintergrund fotografiert: „Im normalen Umfeld lenkt zu viel ab. Mir ging es darum, die Verwandlung zu zeigen.“ © Oliver Schaper
hön“, sagt Koelbl.
Durch die Uniform, die Tracht, die Standeskleidung verändert sich die Haltung der Menschen.
hön“, sagt Koelbl. Durch die Uniform, die Tracht, die Standeskleidung verändert sich die Haltung der Menschen. © Oliver Schaper
Autorität kann man auch ausziehen, beweist das Porträt dieses mongolischen Generals.
Autorität kann man auch ausziehen, beweist das Porträt dieses mongolischen Generals. © Oliver Schaper
Zu sehen sind die Fotos bis zum 2. März 2014 im Museum für Kunst- und Kulturgeschichte Dortmund, Hansastraße 3.
Zu sehen sind die Fotos bis zum 2. März 2014 im Museum für Kunst- und Kulturgeschichte Dortmund, Hansastraße 3. © Oliver Schaper
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Drei Stunden, für Premieren dieser Art ungewöhnlich lange, blieben die Gäste. Ein Beweis dafür, wie faszinierend die Begegnung mit Koelbls Werken ist, die gleichermaßen als Fotografin, Autorin und Journalistin beeindruckt.